Vermittlungsausschuss

Kartellamt darf Kassenfusionen prüfen

Nach langem Tauziehen will der Vermittlungsausschuss am Mittwoch einen Kompromiss zum Wettbewerbsrecht in der GKV beschließen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Schließen Kassen sich zusammen, dürfen wohl künftig auch die Wettbewerbshüter ein Auge auf die Fusion werfen.

Schließen Kassen sich zusammen, dürfen wohl künftig auch die Wettbewerbshüter ein Auge auf die Fusion werfen.

© Oliver Berg / dpa

BERLIN. Das Bundeskartellamt darf künftig Fusionen von Krankenkassen prüfen. Dafür müssen sich die Wettbewerbshüter aber "ins Benehmen" setzen mit der jeweils zuständigen Aufsicht. Das kann das Landesgesundheitsministerium oder - bei bundesunmittelbaren Kassen - das Bundesversicherungsamt (BVA) sein.

Das geht aus einem Schreiben der Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) an die Mitglieder des Vermittlungsausschusses hervor.

Darin heißt es, der Kompromiss sei zwischen Unions- und SPD-/Grün-regierten Ländern "konsentiert. Am Mittwoch will der Vermittlungsausschuss abschließend über dieses Thema beraten.

Die von der Koalition geplante komplette Übertragung des Kartellrechts auf die Krankenkassen ist danach passé. Der Bundesrat hatte bereits im vergangenen Herbst mit großer Mehrheit die Novelle abgeschmettert.

"Wertungswidersprüche und neue Bürokratie"

Die Länder monierten, die parallele Aufsicht durch BVA und Bundeskartellamt werde zu "Wertungswidersprüchen und neuer Bürokratie führen".

Bei der Fusionskontrolle fürchtete der Bundesrat, dass die Wettbewerbshüter eine Fusion auch dann blockieren könnten, wenn die betroffene Kasse kurz vor der Pleite steht.

Ende November hatten die Länder dann den Vermittlungsausschuss angerufen. Dort ist das strittige Thema seither mehrfach vertagt worden.

Das Kompromissmodell, das am Mittwoch im Vermittlungsausschuss verabschiedet werden soll, verpflichtet daher das Bundeskartellamt, sich mit der jeweiligen Aufsicht (BVA oder Gesundheitsministerium) "ins Benehmen" zu setzen.

Bei Klagen gegen das Verbot einer Fusion treffen sich Kasse und Bundeskartellamt vor dem Sozialgericht, nicht dagegen vor einem Zivilgericht. Damit soll verhindert werden, dass durch das Kartellrecht zwei Rechtsquellen - Sozialrecht und Wettbewerbsrecht - in Konkurrenz zueinander treten.

Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, zeigte angesichts der zu erwartenden Einigung vorsichtigen Optimismus: "Uns ist besonders wichtig, dass das Kartellrecht nicht auf das Handeln der Krankenkassen übertragen wird, da dies dem Zusammenarbeitsgebot widersprechen würde", sagte er der "Ärzte Zeitung".

Über 30 Fusionen bereits geprüft

Bereits im März hatte das Bundeswirtschaftsministerium einen Kompromiss skizziert. Danach wurden das Kartell- und das Missbrauchsverbot mit Bezug auf die Kassen fast komplett aus dem Gesetz gestrichen.

Einzige Ausnahme: Wenn eine Kasse bei einer anderen vermeintlich unzulässige Werbung verhindern will, kann sie dies unter Verweis auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb tun. Nur an der Fusionskontrolle sollte festgehalten werden.

Die Kartellwächter hätten bereits in über 30 Fällen Fusionen überprüft, hieß es. Mit dem Vorschlag werde "lediglich die unproblematische Verwaltungspraxis" des Kartellamts legitimiert, schrieb Wirtschafts-Staatssekretär Ernst Burgbacher.

Dem scheinen die SPD-und grünregierten Länder nun im Kern gefolgt zu sein. Hinzugekommen sind die Benehmensregelung als Vorgabe für das Bundeskartellamt und der Vorrang des sozialrechtlichen Instanzenwegs.

Mit dem sich nun abzeichnenden Kompromiss könnte ein gesundheitspolitisches Kräftemessen zwischen Koalitions- und Oppositionsfraktionen ein Ende finden.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler befand im Juni 2012 bei der ersten Beratung des Gesetzes im Bundestag noch, Wettbewerb sei bei Krankenkassen "wie in allen anderen Bereichen auch die beste Garantie" für gute Leistungen.

Das sah nicht nur die Opposition, sondern auch die CSU im Bundestag anders. Mehrfach hatte der CSU-Gesundheitspolitiker Johannes Singhammer bei Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) interveniert.

Er warnte, die GWB-Novelle drohe den "Wertungswiderspruch" zu verstärken zwischen "dem auf Kooperation ausgerichteten Sozialrecht und dem Kartellrecht, das ein umfassendes Kooperationsverbot" fordert.

Als "Verschlimmbesserung" kritisiert

Im September 2012 versuchte die Koalition dann, den sich ausweitenden Konflikt mit einem Änderungsantrag einzuhegen. Danach sollte das Bundeskartellamt verpflichtet werden, "bei der kartellrechtlichen Beurteilung des Handelns den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen besonders zu berücksichtigen", heißt es in dem Papier.

Doch das Papier wurde als "Verschlimmbesserung" kritisiert, da so die befürchteten Rechtsunsicherheiten nicht aus der Welt geschafft würden.

In dieser verfahrenen Lage bot sich die Fusionskontrolle als gesichtswahrender Minimalkompromiss an. Dies nicht zuletzt deshalb, weil bereits in der Begründung des Wettbewerbsstärkungsgesetzes (171a SGB V) festgehalten wurde, dass Kassenfusionen "nach den Regeln der Fusionskontrolle des GWB durch das Bundeskartellamt zu prüfen" seien.

Allerdings fehlte bisher für diese Rechtspraxis eine klare Legitimation im Gesetz selbst. Die Krankenkassen waren beim Thema GWB-Novelle zerstritten. Der BKK-Dachverband hatte noch kürzlich dafür geworben, das Wettbewerbs- und Kartellrecht "konsequent" in der GKV anzuwenden.

Dies schütze die Betriebskassen vor "Verdrängungseffekten großer Mitstreiter". Der IKK-Dachverband signalisierte Zustimmung nur zur Fusionskontrolle in der GKV.

Der AOK-Bundesverband hingegen hatte die Koalitionspläne in toto abgelehnt. (Mitarbeit: Anno Fricke)

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Kommentare
Dr. Birgit Bauer 05.06.201310:29 Uhr

Umständlichkeiten ohne Ende

Fragen sich eigentlich die Verantwortlichen wozu es der vielen KK bedarf ? Außer Sicherstellung von Erbhöfen, Verunsicherung der Pat.wegen Orientierungslosigkeit, Veruntreuung von Beitragsgeldern der Versicherten um Werbung für die Kassen zu finanzieren, störanfällige Praxisprogramme, die den Datenwust kaum beherrschen können, u.s.w.,u.s.w.- gibt es für die Pat. keine Vorteile
,nur die umständlichen Verwaltungsstrukturen mit den dazugehörigen Angestellten sichern sich ihre Arbeitsplätze.
Wenn nun auch noch dringend notwendige Kassenfusionen erschwert werden und weiter marktwirtschaftliche Regularien in einer eigentlich als Solidarsystem deklarierten Struktur gehalten werden sollen, frage ich mich, was in den Verantwortungsbereichen als Solidarsystem definiert wird.
Hierüber sollte der Beitragszahler mal schnellstens aufgeklärt werden.
Bezieht sich die Solidarität evtl. auf den Erhalt des unwirtschaftlichen unübersichtlichen Bereichs der zerglitterten Kassenstruktur?
Denn die Leistungen,die der Pat. erhält und die immer mehr eingeschränkt werden, können wohl nicht gemeint sein.
M.f.G.B.Bauer

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