Umfrage

Kassen-Patienten länger in der Warteschleife

Eine neue Studie gießt Öl ins Feuer der Wartezeiten-Diskussion: Wie eine repräsentative Umfrage zeigt, müssen GKV-Versicherte meist länger auf einen Arzttermin warten, als dies Privatpatienten tun. Die Koalition will das nicht hinnehmen und zügig per Gesetz eingreifen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Das kann dauern, bis man einen Arzttermin erhält.

Das kann dauern, bis man einen Arzttermin erhält.

© fergregory / fotolia.com

BERLIN. Wasser auf die Mühlen der Koalition: Deutlich mehr als die Hälfte der gesetzlich Versicherten, aber nur ein Drittel der Privatversicherten klagt über lange Wartezeiten auf Arzttermine.

Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Allensbach Instituts für Demoskopie hervor, die die "Welt am Sonntag" in Auszügen veröffentlicht hat.

Für Jens Spahn (CDU), den gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, ist dies eine Bestätigung für die Pläne der Koalition, die Wartefristen auf Facharzttermine gesetzlich zu regeln. "Wartezeiten von bis zu einem Jahr sind völlig inakzeptabel, das untergräbt die Akzeptanz des Systems", sagte Spahn am Montag der "Ärzte Zeitung".

Die Ärzte müssten in ihrem eigenen Interesse für eine zeitnahe Terminvergabe sorgen. "Dazu verpflichten wir sie jetzt gesetzlich. Ich gehe davon aus, dass das schnell umgesetzt wird", so Spahn.

Für die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, liegt das Grundproblem im Nebeneinander der beiden Versicherungssysteme. „Die Zweiklassen-Medizin lässt sich nur durch die Einführung einer Bürgerversicherung beenden“, sagte sie der „Ärzte Zeitung“.

Deshalb halte die SPD an diesem Ziel fest, auch wenn die Partei es in dieser Legislaturperiode nicht umsetzen könne.

Gegenmodell Express-Überweisung

Union und SPD haben sich im Grundsatz darauf geeinigt, die KVen zu verpflichten, Terminvergabestellen einzurichten. Die sollen dafür sorgen, dass Wartezeiten auf Facharzttermine vier Wochen nicht überschreiten.

Klappt es dennoch nicht, soll der Patient das Recht haben, sich zu Lasten des ambulanten Budgets im Krankenhaus behandeln zu lassen. Zwischen der Bundesärztekammer und Verbänden niedergelassener Ärzte ist umstritten, ob eine "Express-Überweisung" als Gegenmodell für die Pläne der Koalition taugt.

Die Befragung im Auftrag des Finanzdienstleisters MLP kommt konkret zu folgenden Ergebnissen:

- 57 Prozent der gesetzlich Versicherten geben an, in den vergangenen beiden Jahrenmindestens einmal sehr lange auf einen Arzttermin gewartet zu haben. Unter den Kunden der privaten Assekuranz war dies nur jeder Dritte.

- Mehrmals von langen Wartezeiten betroffen waren 38 Prozent der gesetzlich, aber nur 15 Prozent der Privatversicherten.

- Trotz vereinbarten Termins musste deutlich mehr als die Hälfte der gesetzlich Versicherten im Wartezimmer noch lange auf den Kontakt mit dem Arzt warten. Das widerfuhr auch einem Viertel der Privatversicherten.

- In Hamburg, Berlin, Brandenburg und Hessen sind die Wartezeiten laut Umfrage am längsten, in Niedersachsen beschweren sich darüber am wenigsten Befragte.

- Annähernd die Hälfte der befragten gesetzlich Versicherten plädieren für eine zentrale Vergabe von Arztterminen.

KBV-Umfrage mit anderen Ergebnissen

Die Resultate der Allensbach-Befragung weichen weit von den Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus dem Jahr 2013 ab. Die habe gezeigt, dass die Versicherten grundsätzlich mit der Terminsituation zufrieden sind, sagte KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl am Montag der "Ärzte Zeitung".

Zwei Drittel der Befragten haben berichtet, sofort oder innerhalb von drei Tagen einen Termin beim Arzt zu bekommen. In wenigen Fällen betrage die Wartezeit mehr als drei Wochen.

Wie lang eine Wartezeit sei, sei eine sehr subjektive Empfindung. Menschen auf dem Land, wo vieles mit höherem Aufwand verbunden ist, schätzten Wartezeiten häufig weniger dramatisch ein als Menschen in der Großstadt, so Stahl.

Der Vorsitzende des NAV-Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich, sieht den schwarzen Peter bei den Politikern. Die hohe Zahl von 18 Arztkontakten je gesetzlich Versichertem in Deutschland und der Ärztemangel führten zwangsläufig zu Wartezeiten.

Heinrich: "Um dies aufzulösen, muss die Politik entweder die Budgetierung aufheben oder eine striktere Patientensteuerung zulassen. Letzteres bedeutet aber eine Einschränkung der freien Arztwahl. Dies ist eine politische Entscheidung, die Ehrlichkeit gegenüber dem Wähler erfordert."

"So lange Ärzte ihre Sprechstundenhilfen anweisen, Termine bevorzugt an Privatpatienten zu geben, werden wir die Ungerechtigkeiten bei den Wartezeiten haben", äußerte sich der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz, gegenüber der "Ärzte Zeitung" zu der Umfrage.

Manche Ärzte schienen zu vergessen, dass die private Krankenversicherung davon lebe, dass die gesetzlichen Kassen die flächendeckende Infrastruktur erst möglich machten, so Lanz.

Linke und Grüne für einheitliches Versicherungssystem

Vertreter der Opposition stellten die private Assekuranz grundsätzlich in Frage. "Wenn die Einen schneller drankommen, müssen die Anderen länger warten. Grundlegend ändern kann man dies nur, indem man die private Krankenversicherung abschafft", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion der Linken, Harald Weinberg, der "Ärzte Zeitung".

Für eine einheitliche Gebührenordnung und die Aufhebung der Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung plädierte auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. "Der Behandlungsbedarf der Patientin und des Patienten muss entscheidend sein, nicht welches Honorar sich erzielen lässt", betonte Maria Klein-Schmeink.

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Kommentare
Dr. Lothar Krimmel 01.04.201412:57 Uhr

Sprechstundenhilfe muss Unterschiede machen

Herr Lanz vom GKV-Spitzenverband irrt total, wenn er eine unterschiedliche Praxis der Terminvergabe durch die Sprechstundenhilfe kritisiert. Um es auf den Punkt zu bringen: die Sprechstundenhilfe muss aus rechtlichen Gründen sogar zwingend differenzieren. Denn bereits für die Terminvergabe gelten die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, also das BGB für den Selbstzahler und das SGB V für den Kassenpatienten. Beim Selbstzahler ist bereits die Terminvergabe Bestandteil des zivilrechtlichen Behandlungsvertrages, beim Kassenpatienten gilt das Sozialrecht. Darüber hinaus bieten viele Ärzte in absolut zulässiger Wahrnehmung ihrer unternehmerischen Freiheiten besondere Sprechzeiten für Privatpatienten an, so dass es selbstverständlich immer wieder vorkommen kann, dass die Sprechstundenhilfe für die Privatsprechstunde noch zeitnahe Termine anbieten kann.

Dr. Klaus Günterberg 01.04.201409:53 Uhr

Das Prinzessin-auf-der-Erbs-Syndrom

Da sollte man doch bitte einmal unsere Wartezeiten mit denen der anderen westeuropäischen, skandinavischen und anderen Industrienationen vergleichen. Andere Länder wären über unsere Wartezeiten glücklich!

Schade um das Geld, das solche Umfragen immer kostet. Es wäre anders besser eingesetzt

Dr. Klaus Günterberg
Gynäkologe, Berlin

Dr. Lothar Krimmel 01.04.201402:20 Uhr

Verfassungsfeindliche Ziele von Grünen und Linken

Dass Grüne und Linke im Zusammenhang mit der Diskussion um Wartezeiten nunmehr eine Vereinheitlichung der Gebührenordnungen und gar eine Abschaffung der PKV fordern, zeugt einerseits von einer erschreckenden Ignoranz der zugrunde liegenden Zusammenhänge und andererseits von einem äußerst problematischen Verständnis der elementaren Freiheitsrechte unseres Grundgesetzes. Denn das Recht des einzelnen Bürgers, eine Privatbehandlung mit freier Terminvereinbarung bei einem Arzt seiner Wahl anzustreben, ist völlig unabhängig von der Existenz einer GOÄ oder der PKV insgesamt. Denn dieser Privatpatient ist eben - unabhängig von seinem Versichertenstatus - zunächst einmal "Selbstzahler", und die Wahrnehmung einer Privatbehandlung außerhalb der Fesseln einer kollektivvertraglichen Versorgung wird ihm durch das umfassende Freiheitsrecht des Artikels 2 GG garantiert. Dem entspricht das Freiheitsrecht des Arztes nach Artikel 12 GG, einen solchen Patienten im Rahmen der von diesem gewünschten Privatbehandlung auch tatsächlich zu versorgen. Wer diese beiden elementaren Grundrechte von Patient und Arzt mit ignoranten Argumenten und aggressiver Rhetorik sturmreif schießen will, sollte sich vor dem Bundesverfassungsgericht sehr warm anziehen.

Dr. Lothar Krimmel 01.04.201401:45 Uhr

Absurde Diskussion um Wartezeiten

Die Diskussion um Wartezeiten blendet die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen der Kassen- und der Privatbehandlung komplett aus, und es ist sehr bedauerlich, dass die ärztlichen Körperschaften wenig tun, um zur Klarstellung beitzutragen. Natürlich darf es auch im GKV-System keine unzumutbaren oder gar gesundheitsgefährdenden Wartezeiten geben; aber dass der Privatpatient tendenziell weniger lange auf einen Termin wartet, reflektiert lediglich die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der privatrechtlichen Behandlung einerseits und der sozialrechtlichen andererseits.
Bei der Privatbehandlung ist die Terminvereinbarung unmittelbarer Gegenstand des bürgerlich-rechtlichen Behandlungsvertrages. D.h. Arzt und Patient können vereinbaren, dass der Behandlungsvertrag nur zustande kommt, wenn die Konsultation bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt, ggf. sogar sofort und außerhalb der Sprechstundenzeiten. Derartig weit reichende Freiheitsrechte sind der kollektivvertraglich organisierten vertragsärztlichen Versorgung wesensfremd. Dort gilt lediglich die Forderung des § 17 Abs. 1a Bundesmantelvertrag, dass der Vertragsarzt mindestens 20 Stunden pro Woche Sprechstunden für Kassenpatienten anzubieten hat. Innerhalb dieses Zeitrahmens kann er natürlich offenbar dringlichere Anliegen zeitlich priorisieren; eine Verpflichtung zur Überschreitung dieser Mindestpräsenz oder gar ein Anspruch des Kassenpatienten auf einen bestimmten Behandlungstermin besteht jedoch nicht.

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