BVA-Chef
Kassen hätten mehr Spielraum bei Zusatzbeiträgen
Der neue Präsident des Bundesversicherungsamts, Frank Plate, prognostiziert für die Krankenkassen 2015 ein "leichtes Defizit". Einige Kassen hätten ihre Möglichkeiten für niedrigere Zusatzbeiträge nicht ausgeschöpft.
Veröffentlicht:BONN. Die Krankenkassen werden in diesem Jahr voraussichtlich ein "leichtes Defizit" ausweisen, das aber durch die Finanzreserven in der GKV gedeckt ist, sagte der neue Präsident des Bundesversicherungsamtes (BVA), Frank Plate, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Der rechnerisch notwendige Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent, der sich aus den Prognosen des Schätzerkreises beim BVA ergebe, liege etwas höher als der tatsächlich erhobene Zusatzbeitrag - daraus resultiere das Minus.
Frank Plate
Der 53-Jährige ist Amtsnachfolger von Maximilian Gaßner, der Ende Februar in den Ruhestand gegangen ist.
Plate kehrt aus dem Bundesfamilienministerium in die Bonner Behörde zurück. Im BMFSFJ hat er seit Juni 2010 als Ministerialdirigent die Unterabteilung für Personal, Haushalt und Controlling geleitet.
Zuvor war Plate im Bundesversicherungsamt acht Jahre lang für „Gemeinsame Angelegenheiten der Sozialversicherung“ zuständig gewesen.
Verglichen mit seinem Amtsvorgänger Maximilian Gaßner hat Plate sein Amt in Zeiten solider GKV-Finanzen angetreten. Gaßner hingegen rief bei Dienstantritt im Frühjahr 2010 im Interview mit der "Ärzte Zeitung" nach einem schnell wirksamen Kostendämpfungsgesetz.
Als Folge der Finanzkrise belief sich das prognostizierte GKV-Defizit damals auf elf Milliarden Euro.
28 Milliarden Euro Reserven
Im vergangenen Jahr schloss die GKV ihre Bücher zwar erstmals wieder mit einem Defizit von einer Milliarde Euro. Allerdings waren Ende 2014 im GKV-System noch 28 Milliarden Euro an Reserven gebunkert, davon 15,5 Milliarden Euro bei den Einzelkassen, der Rest im Gesundheitsfonds.
Finanzminister Wolfgang Schäuble knapst allerdings in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro aus dem eigentlich verbrieften Steuerzuschuss an die GKV ab - die Rechnung geht zu Lasten des Fonds, dessen Reserven als Kompensation herhalten müssen.
Kassenchefs haben wiederholt davor gewarnt, die Rücklagen würden wie Schnee in der Sonne schmelzen. Jens Baas, Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, bezifferte den jährlichen Anstieg auf 0,2 Beitragspunkt. 2017, zur nächsten Bundestagswahl, würden die GKV-Beitragszahler somit schon mit 16 Prozent zur Kasse gebeten. "Es wird teurer, das ist die Wahrheit", sagte dazu Baas.
Der neue BVA-Chef Plate will sich nicht an Spekulationen beteiligen. Der Schätzerkreis, in dem Experten aus dem BMG, dem BVA und dem GKV-Spitzenverband vertreten sind, werde im Oktober wie jedes Jahr eine Prognose der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung für 2016 abgeben.
Diese ist dann auch Grundlage für die Festsetzung der dann mutmaßlich höheren Zusatzbeitragssätze. Dem Gremium wolle er "nicht durch eigene Einschätzungen vorgreifen".
Davon ungetrübt plant die große Koalition mehrere Reformgesetze wie das Versorgungsstärkungsgesetz, das Präventions- oder das E-Health-Gesetz. Diese Vorhaben würden "sicher nicht ohne Auswirkungen auf die Haushalte der Krankenkassen" bleiben.
Aber auch damit werde sich nach der Gesetzesverabschiedung der Schätzerkreis beschäftigen, so Plate.
Für 2015 geht das Expertengremium davon aus, dass die Zahl der GKV-Versicherten um 0,4 Prozent auf 70,5 Millionen und die Zahl der Mitglieder sogar um 0,9 Prozent auf 53 Millionen Versicherte steigen könnten.
Bedingt durch die gute Konjunktur und die anhaltende Zuwanderung könnte die Entwicklung aus Sicht der Sozialkassen noch günstiger ausfallen.
Mehr Jobs - mehr Einnahmen
Allein im Januar dieses Jahres verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit bei der Zahl sozialversicherungspflichtiger Jobs einen Zuwachs von zwei Prozent auf 30,32 Millionen im Vergleich zum Januar 2014.
Steigen die Renten und Gehälter der abhängig Beschäftigten um einen Prozentpunkt, dann spült das 1,8 Milliarden Euro zusätzlich in die GKV.
Lassen die Krankenkassen ihre Versicherten nicht an der günstigen Finanzentwicklung teilhaben? BMG-Staaatssekretär Lutz Stroppe hielt den Kassen jüngst vor, sie würden die Spielräume für niedrigere Zusatzbeiträge im laufenden Jahr "bei Weitem" nicht nutzen.
Was denkt der neue BVA-Chef darüber? "Die Vermögenslage einzelner Krankenkassen lässt diesen Schluss durchaus zu", sagt Plate - schränkt aber ein: Die Festlegung der Zusatzbeiträge sei Job der Selbstverwaltungen, die damit "nach meinem Eindruck verantwortlich umgehen".
Aktuell sehe er daher keinen Anlass, "aufsichtsrechtlich gegen die Krankenkassen vorzugehen".