TV-Kritik
Keim außer Kontrolle - aber warum?

Im Labor wird festgestellt, gegen welche Antibiotika die MRSA-Keime resistent sind.
© Valentin Thurn / ZDF
Es gibt Dinge, die man zwar erklären kann, aber trotzdem nicht versteht. Zum Beispiel, warum sich in deutschen Kliniken pro Jahr fast 600.000 Menschen mit gefährlichen Keimen infizieren und etwa 15.000 Patienten an den Folgen sterben. Verständnis dafür aufbringen kann man wirklich nicht.
Vor allem den Zuschauern der ZDF-Reportage "Keim außer Kontrolle" vom Mittwochabend wird kaum noch vermittelbar sein, warum bei unseren niederländischen Nachbarn der gefährliche MRSA-Keim keineswegs so außer Kontrolle ist, wie in vielen deutschen Krankenhäusern.
Denn der Film zeigte auf angenehm undramatische Weise und ohne Ärzte oder Pflegekräfte an den Pranger zu stellen, wo es in vielen deutschen Kliniken bei der Hygiene hakt und wie schnell es zu einer Infektion kommen kann.
So zum Beispiel wenn ein Arzt schildert, dass es immer noch Chefärzte gibt, die mit wehendem Kittel und einem großen Tross im Gefolge wichtig von Patientenbett zu Patientenbett eilen, Pflaster abreißen, Wunden begutachten, ohne sich ein einziges Mal ordentlich die Hände zu desinfizieren.
Klar wurde auch, dass ein guter Schutz vor gefährlichen Keimen aufwändig und teuer ist. Die Autoren begleiteten den niederländischen Arzt Andreas Voss in seiner Nijmwegener Klinik. Dort wird jeder Patient, der aus einer ausländischen Klinik übernommen wird, zunächst isoliert.
Warum eine Umsetzung hoher Standards bei uns immer noch scheitert, führte der Film dann gegen Ende vor Augen. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft Georg Baum fordert für bessere Hygiene mehr Geld.
Die Sprecherin des Spitzenverbandes der Krankenkassen, Ann Marini, findet, die Krankenhäuser bekommen genug. Da bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens das kürzlich geänderte Infektionsschutzgesetz bald Wirkung zeigt.