Europäischer Gerichtshof

Kein Recht auf Enkelkinder

Der Europäische Gerichtshof lehnt die Freigabe tiefgefrorener Samen des an Krebs verstorbenen Sohnes ab.

Veröffentlicht:

Straßburg. Es gibt kein Recht auf Enkel. Eltern können daher nicht verlangen, dass tiefgefrorene Samen ihres Sohnes für die Zeugung von Nachkommen an kinderlose Paare weitergegeben werden, wie jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschied.

Demnach lassen sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention nur Rechte für Eltern ableiten, die aber auch auf nahe Angehörige nicht übertragbar sind.

Geklagt hatte Dominique Petithory Lanzmann, Witwe des 2018 verstorbenen Claude Lanzmann, französischer Journalist, Autor und Regisseur des preisgekrönten Holocaust-Dokumentarfilms „Shoah“ von 1985. Ihr gemeinsamer Sohn war bereits Anfang 2017 an Krebs gestorben. Als er von der Diagnose erfahren hatte, hatte er seinen Wunsch nach Nachkommen geäußert und deshalb Sperma in einer Pariser Klinik einfrieren lassen.

Sohn hatte sich Kinder gewünscht

Petithory Lanzmann verlangt nun, dass die Klinik das Sperma an eine Einrichtung in Israel weitergibt, damit dort – etwa durch eine Samenspende an ein unfruchtbares Paar – Nachkommen gezeugt werden. Die Klinik lehnte dies ab. Lanzmanns Klage blieb bis hinauf zum obersten Verwaltungsgericht, dem Staatsrat in Paris, ohne Erfolg.

Ihre Beschwerde beim EGMR stützte sie auf das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Privat- und Familienleben. Dies schließe auch ihr Recht ein, Großmutter zu werden. Zudem müsse der Wunsch ihres verstorbenen Sohnes nach Nachkommen respektiert werden.

Wie nun der EGMR entschied, garantiert die Menschenrechtskonvention aber kein Recht, Großeltern zu werden – „so anerkennenswert der persönliche Wunsch der Beschwerdeführerin auch sein mag, die genetische Linie fortzuführen“.

Vielmehr seien aus der Menschenrechtskonvention nur Elternrechte ableitbar. Hierbei handele es sich aber um „nicht übertragbare Rechte“. Daher könne Petithory Lanzmann nicht für ihren Sohn ein Recht auf Nachkommen geltend machen. (mwo)

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Az.: 23038/19

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Kommentare
Dr. Schätzler 10.12.201910:34 Uhr

EGMR-Entscheidung führt FDP Überlegungen ad absurdum!
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist ein auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) eingerichteter Gerichtshof mit Sitz im französischen Straßburg, der Akte der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung in Bezug auf die Verletzung der Konvention in allen Unterzeichnerstaaten überprüft.
Der EGMR entschied zu Recht ohne wenn und aber, dass die Menschenrechtskonvention kein Recht begründen kann, Großeltern zu werden, wenn der Samenspender verstorben ist. Weshalb es in der Begründung lautet, „so anerkennenswert der persönliche Wunsch der Beschwerdeführerin auch sein mag, die genetische Linie fortzuführen“ bleibt juristisch und lebenspraktisch m. E. völlig unverständlich.
Denn für alle anderen Menschen, die nicht über eingefrorene Konten bei einer Samenbank verfügen, endet ihre reproduktive Kompetenz mit dem Tod des Individuums.
In Deutschland hat sich insbesondere die Klientel-orientierte FDP des Themas angenommen. Die FDP will es Samenspendern ermöglichen, über ihren Tod hinaus Kinder zeu­gen zu lassen. Betroffene Männer sollten testamentarisch festlegen können, „was nach dem Tod mit einer Samenspende geschehen und wer darüber verfügen darf“, forderte die FDP-Medi­zinrechtsexpertin Katrin Helling-Plahr gestern in Berlin. Dafür müsse das Embryonenschutzgesetz geändert worden, das bislang noch die Nutzung von Samenspenden nach dem Tod des Spenders verbietet. Das Selbstbestimmungsrecht müsse auch über den Tod hinaus gelten, forderte Helling-Plahr.
https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=1&nid=108004&s=fdp
Ganz so, als ob wir in Deutschland nicht wichtigere reproduktionsmedizinische, fortpflanzungsbiologische und sexualmedizinische Probleme haben? Und wie sieht es dann mit eingefrorenen und ggf. schon befruchteten Eizellen von verstorbenen Frauen aus?
In reproduktionsmedizinischen Fragen ist die FDP m. E. völlig durchgeknallt.
Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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