Corona-Gipfel
Jetzt doch fast bundesweit Schulschließungen
Beim Krisengipfel wegen des Coronavirus-Ausbruchs haben sich Bund und Länder abgestimmt: Elektive Op sollen verschoben werden, von bundesweiten Schulschließungen wird abgesehen – vorläufig. Am Freitag gaben die Bundesländer dann nach und nach bekannt, Kitas und Schulen zu schließen.
Veröffentlicht:Berlin. Bei ihrem Treffen am späten Donnerstagabend in Berlin haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der 16 Bundesländer entschieden, von einer flächendeckenden Schließung von Schulen und Kitas als Reaktion auf das sich weiter ausbreitende Coronavirus SARS-CoV-2 zunächst abzusehen. Dafür entschieden sie, dass ab Montag alle elektiven Operationen verschoben werden sollen.
In Bundesländern und Regionen mit „sich abzeichnendem dynamischen Ausbruchsgeschehen“ könnten aber Einrichtungen wie Schulen und Kitas bereits jetzt „vorübergehend“ geschlossen werden – etwa durch ein Vorziehen der Osterferien. „Das werden nach Maßgabe der Dinge sukzessive mehr Regionen sein“, sagte Merkel.
Im Laufe des Freitags gaben aber nach und nach alle Landesregierungen bekannt, die Schulen und Kindertageseinrichtungen zu schließen oder die Schulpflicht auszusetzen. In einigen Ländern wurde Angehörigen der Besuch von Alten- und Pflegeheimen weitestgehend untersagt. Ein Überblick:
Bundesland | Schule und Kita | Alten- und Pflegeheime |
---|---|---|
Baden-Württemberg | ab 17.3. | bislang nicht |
Bayern | ab 16.3. | ja |
Berlin | ab 16.3. | bislang nicht |
Brandenburg | ab 18.3. | bislang nicht |
Bremen | ab 16.3. | bislang nicht |
Hamburg | ab 16.3. | bislang nicht |
Hessen | ab 16.3. Schulpflicht aufgehoben | bislang nicht |
Mecklenburg-Vorpommern | ab 16.3. | bislang nicht |
Niedersachsen | ab 16.3. | bislang nicht |
NRW | ab 16.3. | ja |
Rheinland-Pfalz | ab 16.3. | bislang nicht |
Saarland | ab 16.3. | bislang nicht |
Sachsen | ab 16.3. Schulpflicht aufgehoben | bislang nicht |
Sachsen-Anhalt | ab 16.3. | bislang nicht |
Schleswig-Holstein | ab 16.3. | bislang nicht |
Thüringen | ab 17.3. | bislang nicht |
Viele Staaten schließen Schulen
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte am Donnerstag erklärt, bundesweite Schulschließungen seien derzeit nicht die angemessene Reaktion aus die SARS-CoV-2-Epedimie. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt mehrfach betont, die Lage müsse immer wieder neu bewertet werden. Entsprechend seien dann Maßnahmen zur Eindämmung des Virus anzupassen.
Der ehemalige Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) und jetzige Vorsitzende des Weltärztebundes, Professor Frank Ulrich Montgomery, hält nichts von flächendeckenden Schulschließungen. Diese machten überhaupt keinen Sinn, „weil die Folgeprobleme bei Familie, bei Krankenhäusern [und] bei allen anderen einfach viel größer sind“, sagte er am Freitag im rbb-„Inforadio“ und ergänzte: „Regionale Schulschließungen - dort wo Cluster von Infektionen sind, oder [...] wo es nicht kontrollierbare Grenzen mit dem Zufluss von Infizierten gibt - machen Sinn.“
Einige europäische Länder wie Österreich, Dänemark oder Italien haben bereits entschieden, sämtliche Schulen vorläufig dicht zu machen. Frankreich hat inzwischen beschlossen, Schulen, Hochschulen Kitas vorsichtshalber zu schließen. Das teilte Staatspräsident Emmanuel Macron am Donnerstagabend mit.
Veranstaltungen unter 1000 Teilnehmern absagen
Wie Kanzlerin Merkel nach dem Treffen der Landeschefs am Donnerstagabend mitteilte, sollen neben Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern auch „alle nicht notwendigen Veranstaltungen“ unter 1000 Teilnehmern abgesagt werden. „Das ist ein Aufruf an alle zu entscheiden, was ist verzichtbar, was sollte nicht stattfinden“, sagte sie.
Bereits an diesem Freitag wollten Bundestag und Bundesrat das Kurzarbeitergeld beschließen, „sodass da Sicherheit ist für die Beschäftigten und die Unternehmen“. Weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Unternehmen seien in Vorbereitung.
Söder: „Durch Corona ist die Welt eine andere“
Merkel sprach vom Coronavirus als einer „unbekannten Herausforderung für uns“. Die Politik sei angewiesen auf das, was Ärzte und Wissenschaftler jeden Tag an neuen Erkenntnissen gewönnen. Daraus seien geeignete präventive Maßnahmen abzuleiten.
Deutschland sei es früh gelungen, das Infektionsgeschehen zu beobachten. Die Situation verändere sich aber ständig. Alle weiteren Schritte sollten im europäischen Kontext abgestimmt werden. „Wir sind in einer ganz außergewöhnlichen Situation.“ Kernbereiche der Wirtschaft müssten weiter funktionieren.
„Durch Corona ist die Welt eine andere“, hob Bayerns Ministerpräsident Söder hervor. Das Geschehen sei „extrem dynamisch“. „Wir brauchen keine Panik, aber wir brauchen entschlossenes Handeln mit einer klaren Zielführung.“
Neueste Artikel im Überblick
Zur Coronavirus-Themenseite
Bund und Länder wollten den Bedarf an Schutzkleidung für Ärzte und medizinisches Personal koordinieren und die Krankenhäuser stärken, um der Herausforderung zu begegnen.
Man dürfe nicht in eine Situation wie in Italien und anderswo kommen, wo in Kliniken entschieden werden müsse, „welcher Patient in welchem Alter behandelt wird“. „Dies ist nicht vereinbar mit unserer humanitären Auffassung von einer modernen und nachhaltigen Gesundheitspolitik.“ Es brauche einen „Schutzschirm für die Krankenhäuser in dieser schwierigen Situation“.
Tschenscher: „Schlagfertiges Gesundheitssystem“
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschenscher (SPD) sprach von einem „intensiven Austausch“ zwischen Bund und Ländern. Viele richtige Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus seien bereits getroffen worden. „Wir haben sofort sehr konsequent reagiert.“ Das deutsche Gesundheitssystem sei sehr „schlagfertig“. Bund und Länder müssten koordiniert handeln.
Jeder persönliche Kontakt müsse in den nächsten Wochen vermieden werden, um die Ausbreitung des Virus abzuschwächen, so der SPD-Politiker. Wichtig sei es, ausreichende intensivmedizinische Kapazitäten ausreichend vorzuhalten.
Er sei froh, dass der Bund die Länder dabei unterstützen wolle. Entscheidungen, die heute noch nicht nötig erschienen, könnten schon in den nächsten Tagen angezeigt sein.
Mehr als 2300 Infizierte
Die Zahl der mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen in Deutschland ist unterdessen auf bundesweit über 2300 geklettert. Alle 16 Bundesländer sind betroffen. Hohe Fallzahlen beklagen vor allem Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg (siehe nachfolgende Tabelle).