Klärt das Internet auf - oder verwirrt es?
Wie relevant ist das Web für Patienten? Fast unumgänglich, um Informationen zu bekommen, sagen die Kassen. Es gibt auch ganz andere Stimmen.
Veröffentlicht:Von Sunna Gieseke
BERLIN. Immer mehr Versicherte nutzen das Internet, um vor einem Arzttermin Informationen über Diagnosen und Therapien zu suchen. Doch hier sei Vorsicht geboten, warnen Fachleute.
"Zu viele Informationen können für die Patienten schädlich sein", sagte Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte bei der Bertelsmann Stiftung, anlässlich der Veranstaltung "Kassengipfel 2012" in Berlin. Die Infos aus dem Netz könnten den Patienten letztlich verwirren.
Auch nach einem Arzttermin setzten Patienten immer häufiger auf Hilfe im Internet, sagte AOK-Chef Jürgen Graalmann. Viele verstünden nicht, was ihnen der Arzt erkläre und suchten entsprechende Informationen im Netz.
Aus seiner Sicht sind Übersetzungsportale nach dem Motto "Arzt-Deutsch" ein Beleg dafür, dass es in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient noch erhebliches Verbesserungspotenzial gebe.
"Ist der Patient mit der Kommunikation des Arztes zufrieden, empfiehlt er ihn auch weiter", so Graalmann.
In Kürze können auch Zahnärzte bewertet werden
Das sei auch in dem Projekt Arztnavigator der Kasse belegt worden. Hier können die Versicherten in der standardisierten Befragung etwa angeben, ob der Arzt sie in Entscheidungen einbezieht, ob ihre Intimsphäre gewahrt wird oder ob sie den Arzt an Freunde weiterempfehlen würden.
Initiatoren des Arztnavigators sind die AOK und das Projekt Weisse Liste. Inzwischen sind auch die Barmer GEK und die Techniker Krankenkasse mit an Bord. Damit können rund 38 Millionen gesetzlich Versicherte ihren Ärzten online ein Zeugnis ausstellen.
Wie Jürgen Graalmann beim "Kassengipfel 2012" bekannt gab, sollen die Versicherten in Kürze auch Zahnärzten online ein Zeugnis ausstellen können.
Vorbehalte der Ärzte gegen Arztnavigator ausgeräumt
Anfänglich habe es "große Vorbehalte in der Ärzteschaft gegen den Arztnavigator" gegeben, erläuterte Graalmann. Diese habe man ausräumen können: "Die Ergebnisse werden erst veröffentlicht, wenn mindestens zehn Bewertungen für einen Arzt vorliegen."
Dadurch solle eine einseitige Darstellung verhindert werden. Zudem werde auf Freitextfelder verzichtet. Somit sei Schmähkritik gegen Ärzte nicht möglich.
Aus Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) überschätzen die Kassen die Relevanz solcher Bewertungsportale. Nur zehn Prozent der Versicherten nutzten sie für ihre Suche nach einem Arzt.
Das habe eine Versichertenbefragung der KBV aus dem vergangenen Jahr belegt, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl der "Ärzte Zeitung".