Infektionsschutzgesetz
Koalition erweitert Spielraum bei Corona-Schutzmaßnahmen
Der Inzidenzwert soll nicht länger alleinige Richtschnur für coronabedingte Einschränkungen sein. Darauf haben sich Union und SPD geeinigt. Sanktionen für Impfdrängler sind dagegen vom Tisch.
Veröffentlicht:Berlin. Die Koalition legt erneut Hand an das Infektionsschutzgesetz (IfSG). So sollen bei der Verhängung oder Lockerung von Maßnahmen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie außer dem Inzidenzwert Kriterien wie die Impfquote oder der R-Wert berücksichtigt sein.
Es gehe darum, „ein gewisses Maß an Flexibilität“ zu haben, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, am Mittwoch. Zuletzt hätten mehrere Gerichte darauf hingewiesen, dass es bei Corona-Maßnahmen nicht ausreiche, allein auf die Inzidenzwerte 35 und 50 abzustellen. Mit den geplanten Änderungen wolle man daher auch „den Rahmen für mehr Rechtssicherheit schaffen“, sagte Wiese.
Als Vehikel dafür dient der Koalition das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen. Der Bundestag will das Vorhaben am Donnerstag verabschieden. Dazu liegen mehrere Änderungsanträge vor.
Die Abkehr vom Inzidenzwert als einzigem Maßstab ist auch ein Fingerzeig auf die Bund-Länder-Beratungen an diesem Mittwoch. Laut Beschlussvorlage soll der Lockdown grundsätzlich bis 28. März verlängert werden. Zugleich soll es vorsichtige Lockerungen geben. Schnelltests und Impfungen sollen eine zentrale Rolle spielen.
IfSG soll zeitlich begrenzt werden
Der Bundestag werde nunmehr alle drei Monate über die Fortdauer der Regelungen im Infektionsschutzgesetz entscheiden, fasste SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas eine weitere Neuerung zusammen. Bas begründet dies damit, dass am IfSG „zahlreiche Verordnungs- und Anordnungsmöglichkeiten des Bundesgesundheitsministers dranhängen“.
Auf dem Weg aus dem Shutdown
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Vorgesehen ist auch, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie von einem neu zu schaffenden Begleitgremium ausgewertet werden. Das Gremium soll als Unterschuss des Bundestags-Gesundheitsausschusses eingerichtet werden. In der Runde sollen nicht nur Gesundheitspolitiker, sondern auch Vertreter der Ausschüsse für Arbeit, Wirtschaft und Familie sitzen.
Unterausschuss zur Pandemie
Der interdisziplinäre Ansatz sei wichtig, da es bei Corona auch um soziale und wirtschaftliche Folgen der Pandemie gehe, betonte Gesundheitspolitikerin Bas. Das Gremium solle Sachverständige einladen und öffentliche Anhörungen organisieren. Geplant sei auch eine „Unterrichtungspflicht“ des Corona-Kabinetts dem neuen Gremium gegenüber.
Zentrales Thema solle die Impfstrategie sein, sagte Bas. Ziel müsse sein, „dass kein Impfstoff liegen bleibt und wir schneller werden“. Es brauche mehr Aufklärung über vorhandene Impfstoffe. Vorbehalte etwa dem Vakzin von AstraZeneca gegenüber seien abzubauen.
Eine wichtige Rolle spielten hier die niedergelassenen Ärzte. Sie würden ihre Patienten gut kennen und könnten informieren. „Das machen die jeden Tag bei anderen Impfungen auch“, betonte Bas. Daher werde schon jetzt geregelt, dass Praxen Daten über geimpfte Personen an das Robert Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut melden müssten.
Vom Tisch sind dagegen Sanktionen gegen Impfdrängler. Man wolle vermeiden, dass aus Angst vor hohen Bußgeldern „am Ende Impfstoff weggeschmissen wird“, sagte Bas. Zudem sehe das Infektionsschutzgesetz bereits Möglichkeiten vor, Vordrängler beim Impfen strafrechtlich zu belangen. Sie setze nun darauf, dass es bald so viel Impfstoff gebe, dass sich die Debatte erledige. Bis dahin müsse es bei den Impfungen allerdings bei den in der Impfverordnung festgelegten Prioritäten gehe. Als Reaktion auf Impfdrängler war zuvor ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro im Gespräch.
Pflege-Schutzschirm verlängert
Verlängert wird auch der Schutzschirm für Pflegeheime und ambulante Dienste. Mindereinnahmen – etwa durch ausbleibende Neuaufnahmen – sollten bis Ende Juni weiter ausgeglichen werden, sagte Bas. Auch bleibe es bei der nachgelagerten Prüfung der Krankenkassen, inwieweit Einrichtungen Ausgleichszahlungen zustünden oder nicht.
Zuvor war bekannt geworden, dass der Rettungsschirm für Praxen breiter gefasst wird. So sollen extrabudgetäre Vergütungen bei den Ausgleichszahlungen nun berücksichtigt sein.