Reformvorhaben
Koalition plant Milliarden-Zuschuss zur Pflege – und höheren Beitragssatz
Die Pflegereform bleibt eine Baustelle. Gestritten wurde zuletzt auch um die Gegenfinanzierung gedeckelter Eigenanteile und höherer Pflegelöhne. Jetzt legt die Koalition Gesetzesvorschläge dazu auf den Tisch.
Veröffentlicht:Berlin. Die Große Koalition schraubt weiter an ihrer Pflegereform. Diese soll wie berichtet in abgespeckter Form an das geplante Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) drangehängt werden und Leistungsverbesserungen ermöglichen.
Laut einem Änderungsantrag zum GVWG ist nunmehr vorgesehen, dass ab 2022 ein Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich an den Pflegeausgleichsfonds eingeführt wird. Der Änderungsantrag liegt der „Ärzte Zeitung“ vor.
Höherer Beitrag für Kinderlose
Kinderlose sollen demnach künftig noch höhere Beiträge zahlen müssen. Zum 1. Januar 2022 soll für sie der Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte von derzeit 0,25 auf 0,35 Beitragssatzpunkte steigen. Der allgemeine Beitragssatz zur Pflegeversicherung beträgt 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens.
Mit der Erhöhung werde die „Beitragsdifferenzierung zwischen Versicherten mit und ohne Kinder maßvoll erhöht“, wird der Schritt in dem Änderungsantrag begründet. Die Anhebung diene dem Ziel, „der Ausgangsrelation zwischen dem allgemeinen Beitragssatz und dem Beitragszuschlag für Kinderlose aus dem Jahr 2005 wieder besser zu entsprechen, da der Beitragszuschlag für Kinderlose – anders als der allgemeine Beitragssatz – seit seiner Einführung im Jahr 2005 nicht angehoben wurde“.
Pflegereform per Omnibus
Anfang des Jahres hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Arbeitsentwurf für ein Pflegereformgesetz vorgelegt. Damit sollten sowohl Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zur Ausweitung der Pflegeleistungen als auch die mit der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) beschrieben Maßnahmen für bessere Arbeitsbedingungen umgesetzt werden.
Da die Zeit bis zum Ende der Wahlperiode knapp wird, Verbände aber auf schnelle Pflegeverbesserungen drängen, will die Koalition diese Vorhaben per Änderungsanträge zum GVWG auf den Weg bringen.
Geplant, aber hochumstritten ist unter anderem, dass stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen nur noch dann Versorgungsverträge mit den Pflegekassen abschließen können, wenn sie ihre Pflegebeschäftigten nach Tarif bezahlen.
Deckelung der Eigenanteile
Altenheimbewohner sollen ferner einen Zuschuss zu ihren pflegebedingten Eigenanteilen erhalten, wenn sie länger als ein Jahr in einem Pflegeheim leben. Die Regelung soll erst zum 1. Januar 2022 und nicht wie zunächst vorgesehen zum 1. Juli 2021 greifen. Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen hätten damit ausreichend Vorbereitungszeit für die Umsetzung.
Die kompletten Eigenanteile der stationär betreuten Pflegebedürftigen hatten sich zuletzt auf im Bundesdurchschnitt 2068 Euro pro Monat hochgeschaukelt. Die Koalition will diese Entwicklung stoppen und für Entlastung sorgen.
Die Gehälter für Altenpflegekräfte wiederum könnten in den Pflegesatz- und Vergütungsverhandlungen von den Kassen künftig mindestens bis auf Tarifniveau aufgestockt werden. Auch das kostet Geld – Pflegeanbieter pochen daher auf eine vollständige Refinanzierung höherer Gehälter.
Die Abgeordneten hatten von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) deshalb mindestens drei Milliarden Euro Steuerzuschuss im kommenden Jahr für die Pflege verlangt. Laut Koalitionskreisen will Scholz jedoch nur eine Milliarde Euro aus dem Steuersäckel bereitstellen. Dem folgt nun offenbar der eingebrachte Änderungsantrag.
Streit ist programmiert
Aus Kassenkreisen hieß es am Wochenende, eine zweite Anhörung zu den pflegebezogenen Gesetzesänderungen im Zuge des GVWG sei für den 7. Juni geplant. Ursprünglich sollte das Gesetzesvorhaben Mitte Mai den Bundestag passieren. Auch der 31. Mai wurde zuletzt als Termin für eine weitere Beratung im Gesundheitsausschuss genannt.
Streit ist in jeden Fall programmiert. Private Pflegeanbieter haben bereits mit Verfassungsklage gedroht, sollten die Pläne für verpflichtende Tariflöhne umgesetzt werden. Die Kassen wiederum haben darauf hingewiesen, dass sich in der Pflegeversicherung schon im nächsten Jahr ein deutlich erhöhter finanzieller Mehrbedarf auftürmt. Der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, hatte diesen auf 4,5 Milliarden Euro taxiert.