Können Palliativärzte bald ohne Sorge vor Strafverfolgung arbeiten?
Unter Palliativärzten keimt die Hoffnung, dass der Gesetzgeber die seit langem geforderte Abgabe von Schmerzmitteln im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung erleichtert und sie aus der rechtlichen Grauzone herausholt.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) prüft Vorschläge, die Praxis der Schmerzmittelabgabe zu verbessern, teilte ein BMG-Sprecher der "Ärzte Zeitung" mit.
Dazu zählten organisatorische Verbesserungen im Kontakt zwischen Palliativmedizinern und Apothekern, eine Anpassung der Apothekenbetriebsordnung hinsichtlich der zwingend vorzuhaltenden Medikamente und eine Änderung des Paragrafen 13 des Betäubungsmittelgesetzes.
Das habe man bei einem Treffen von Vertretern des Ministeriums mit Ärzte-, Apotheker und Hospizverbänden verabredet.
Aus Sicht der meisten Palliativmediziner ist dies eine erfreuliche Entwicklung. Die Haltung des Ministeriums habe sich klar geändert, sagte Thomas Sitte von der Deutschen Palliativ Stiftung der "Ärzte Zeitung".
Noch vor wenigen Wochen habe das Ministerium einen Handlungsbedarf verneint. Inzwischen seien die Fachleute im BMG viel besser darüber informiert, was genau bei der palliativmedizinischen Versorgung Sterbender zu Hause passiere, sagte Sitte.
Und das sieht häufig so aus: Neun von zehn Ärzten legten ihren Patienten zu Zeiten, da die Apotheken geschlossen hätten, starke Schmerzmittel auf den Nachttisch und gingen weg, sagt der Wittener Anästhesiologe Dr. Matthias Thöns.
Ein klarer Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Arzt muss selbst bei der Verabreichung eines morphinhaltigen Nasensprays anwesend sein. Aber: Die persönlich verabreichten Medikamente wirken nur ein paar Stunden. "Soll er dann alle zwei Stunden zur Medikamentengabe wiederkommen?", fragt Thöns.
Formal korrekte Wege, dem Patienten zu Medikamenten zu verhelfen, wären, ein Rezept auszuschreiben oder ihn einzuweisen.
Der erste Weg kommt einer Verweigerung einer ärztlichen Hilfeleistung gleich, beschreiben Ärzte in einer Fallsammlung der Deutschen Palliativ Stiftung ihre Not. Auf dem Land seien die Notdienstapotheken meist nicht schnell erreichbar, schon gar nicht für die meist älteren Angehörigen sterbender Menschen.
Da der Tod in jedem Moment eintreten könne, wollen sie das Haus nicht verlassen. Zudem hätten die Apotheken die verordneten starken Schmerzmittel meist nicht vorrätig.
Selbst Notärzte können nicht helfen: "Die üblichen Rettungswagen haben nicht einmal genügend Morphium an Bord, um bei einem durchschnittlichen Palliativpatienten eine schwere Durchbruchschmerzkrise zu behandeln", sagt Thöns.
Auch die Einweisung ins Krankenhaus berge Probleme. Palliativärzte kommen ja gerade deshalb zu ihren Patienten nach Hause, weil die nicht im Krankenhaus sterben wollen.
Eine Diskrepanz zwischen dem Gesetzesanspruch und der gelebten Praxis hat auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes ausgemacht: "Bei der Versorgung zu Hause sind Palliativpatienten auf Medikamente angewiesen, auf die sie zur Überbrückung von Schmerzphasen selbst zurückgreifen können, bis die Apotheke wieder liefern kann", sagte Ulrich Weigeldt.
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