Bundestag
Kontroverse um Spahns Gesetz für besseren Masernschutz
Der Bundestag hat in erster Lesung das geplante Masernschutzgesetz debattiert. Die Opposition kritisiert, das Gesetz atme zu viel Zwang und Sanktion.
Veröffentlicht:Berlin. In einer teilweise hitzigen Debatte hat der Bundestag am Freitag erstmals das geplante Masernschutzgesetz beraten. Der Entwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Kinder in Schulen und Kindergärten gegen Masern geimpft sein müssen. Eltern, die dem nicht nachkommen, müssen mit Bußgeldern von bis zu 2500 Euro rechnen. Auch Kitas können mit Bußgeldern belegt werden, wenn sie nicht geimpfte Kinder betreuen. Dasselbe gilt für nicht geimpfte Beschäftigte in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen.
„Wir wollen die Masern ausrotten“, umriss der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium Dr. Thomas Gebhart (CDU) das Ziel des Gesetzes. Informieren alleine reiche nicht mehr, um eine höhere Impfquote sicherzustellen. „Deshalb gehen wir mit dem Gesetz einen Schritt weiter.“ Das sei konsequent.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Sabine Dittmar sagte, Masern seien „keineswegs eine harmlose Krankheit“. Sie seien hochvirulent und sehr gefährlich. Es sei daher richtig und verhältnismäßig, dass ein Impfnachweis erbracht werden müsse. Die Mehrheit der Bundesbürger wisse, dass Impfungen ein medizinischer Segen seien „Sie schützen nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch das Umfeld.“ Bundesärztekammer wie auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte stünden hinter einer Impfpflicht bei Masern.
Der Unions-Gesundheitspolitiker und Arzt Stephan Pilsinger warnte davor, Masern zu unterschätzen. „Dieses Virus können wir aber durch lückenloses Impfen ausrotten.“ Impfungen seien sinnvoll, müssten aber eben auch „obligatorisch“ sein.
Zu viel Zwang und Sanktionen?
Vertreter der Opposition kritisierten dagegen, der Gesetzentwurf atme zu viel Zwang und Sanktion. Der Staat greife damit in Freiheits- und Persönlichkeitsrechte ein. „Und Zwang führt zu Widerstand“, kommentierte AfD-Politiker Ulrich Oehme.
Die Linken-Politikerin Susanne Ferschl betonte, ihre Fraktion befürworte zwar das Ziel des Gesetzes, höhere Impfquoten zu erreichen. Die richtigen Wege dorthin seien aber andere als die, die im Entwurf stünden. Es gebe zu wenig niedrigschwellige und kostenlose Impfangebote.
Das sei originäre Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die aber sei in den vergangenen Jahren durch neoliberale Politik kaputt gespart worden. Die im Entwurf vorgesehenen Bußgelder für Impfverweigerer träfen überdies die Falschen. „Zahlungskräftige Impfverweigerer werden sich freikaufen“, gab Ferschl zu bedenken.
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche bezeichnete Impfen als „ein Akt gesellschaftlicher Solidarität“. Das gelte auch und gerade bei Masern. „Das größte Problem haben wir hier aber bei jungen Erwachsenen.“ Im Gesetzentwurf werde diese Gruppe komplett ausgespart. „Das ist ein wirklich großes Loch.“
Niedrige Impfquoten
Der FDP-Gesundheitsexperte Professor Andrew Ullmann betonte, Impfungen seien „effektiv und sicher.“ Wer sich impfen lasse, schütze sich und andere. Impfen habe deshalb etwas mit Verantwortung zu tun. Er wundere sich aber, dass der Gesetzentwurf nur die Masern fokussiere, nicht aber weitere Infektionskrankheiten. Ziel müsse sein, insgesamt höhere Impfquoten zu erzielen.
Zuletzt hatte die Techniker Kasse (TK) Alarm geschlagen und zu niedrige Impfquoten bei Kindern angeprangert. Rund elf Prozent der 2016 geborenen TK-versicherten Kinder seien bis zum zweiten Lebensjahr nur unvollständig gegen Masern immunisiert. 7,4 Prozent der Kinder dieses Jahrgangs hätten gar keine Masernimpfung innerhalb der ersten beiden Lebensjahre erhalten.
Gesundheitsminister Spahn erklärte am Freitag, gerade die kleinsten Kinder müssten vor Masern geschützt sein. Dafür müssten aber auch Erwachsene ihren Impfschutz regelmäßig prüfen lassen. „Im Jahr 2019 sollten kein Kind und kein Erwachsener mehr an Masern erkranken müssen“, sagte Spahn in einer Videobotschaft im Kurznachrichtendienst „Twitter“.
Im Verlauf der 45-minütigen Debatte im Bundestag wurden auch ein Antrag der Grünen-Fraktion sowie ein Antrag der Abgeordneten der FDP eingebracht. Die Grünen fordern, dass vor Aufnahme in eine Einrichtung, in der Kinder betreut werden, der Impfstatus geprüft wird. Bei unvollständigem Impfschutz, insbesondere bei Fehlen der zweiten Masernimpfung, sollte als Voraussetzung für den Besuch der Kita die fehlende Impfung nachgeholt werden müssen.
FDP will digitalen Impfausweis
Die FDP wiederum spricht sich für die Einführung eines digitalen Impfausweises aus. Impfangebote sollten zudem niedrigschwelliger sein, sodass alle Ärzte impfen und diese auch zulasten der Kassen abrechnen dürfen. Beide Gesetzesvorlagen wurden im Anschluss zur Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen.
Der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) begrüßte das Engagement der Bundesregierung für einen besseren Masernschutz. „Unserer Meinung nach sollte der vorliegende Entwurf, der primär auf eine partielle Impfpflicht setzt, um systematische Angebote an die Bevölkerung ergänzt werden“, sagte vfa-Chef Han Steutel am Freitag. Eine Welt ohne Masern sei möglich. Das zeige das positive Beispiel der Pockenausrottung. „Aber wir müssen mehr tun, damit auch Deutschland schafft, was in vielen Ländern der Welt schon längst funktioniert: Die Impfraten so zu steigern, dass die Krankheit endlich eliminiert wird.“