Interview
"Länder haben ihre Interessen bei der Bedarfsplanung durchgesetzt"
Bis zum Eckpunktepapier, auf das sich Bund und Länder am Mittwoch geeinigt haben, war es für Stefan Grüttner, hessischer Gesundheitsminister und Vorsitzender der GMK, ein langer Weg. Obwohl die Maximalforderungen nicht erreicht wurden, sieht er große Fortschritte.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Wenn man sich die Ergebnisse bei der Bedarfsplanung und auch bei den Selektivverträgen ansieht, hört es sich so an, als ob sich die Länder mit vielen Forderungen durchsetzen konnten. Gibt es auch Themen, bei denen Sie nicht erfolgreich waren?
Grüttner: Insgesamt sind die Verhandlungen mit dem Bund sowie das Ergebnis aus Ländersicht konstruktiv und positiv zu bewerten. Wir haben uns in vielen Positionen angenähert. Nicht vollständig in allen, aber das gehört zu Verhandlungen dieser Art dazu.
Wir hätten gerne die Bedarfsplanung ausgeweitet auf die Versorgungsplanung insgesamt. Die Konzentration auf die Bedarfsplanung ist aber ein Kompromiss, bei dem viele Interessen der Länder durchgesetzt werden konnten. Wir hätten auch gerne sektorenübergreifende Qualitätskriterien festgelegt.
Das war mit dem BMG nicht konsensfähig. Wir haben das Ministerium gebeten, sehr schnell einen Referentenentwurf zum Versorgungsgesetz mit unseren Eckpunkten vorzulegen.
Stefan Grüttner (CDU)
Aktuelle Position: Gesundheitsminister von Hessen, Vorsitzender der Gesundheitskonferenz (GMK)
Werdegang/Ausbildung: Volkswirtschaftsstudium in Mainz, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Karriere: Mitglied im hessischen Landtag seit 1995; 2003 bis 2010 Chef der hessischen Staatskanzlei
Privates: 54 Jahre, verheiratet, zwei Söhne
Ärzte Zeitung: In den Eckpunkten wurde auch festgehalten, dass Bund und Länder gemeinsam mehr junge Leute ins Medizinstudium bringen wollen. An dem Aufbau von mehr Medizinstudienplätzen soll sich der Bund beteiligen. Wie soll das funktionieren?
Grüttner: Das muss mit der Kultusministerkonferenz und den Wissenschaftsministern noch erörtert werden. Wir können das nicht alleine bestimmen.
Ärzte Zeitung: Sie hatten schon im Vorfeld zur Sitzung gefordert, dass die Länder ein Stimmrecht im GBA bekommen. Herausgekommen ist nun ein Initiativ- und Rederecht. Würden Sie das eher als Misserfolg bezeichnen?
Eckpunktepapier der Bundesländer
In einem Eckpunktepapier, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt, haben sich Bund und Länder unter anderem auf folgende Punkte verständigt:
Flexibilisierung der Bedarfsplanung: Planungsbereiche sollen nicht mehr den Stadt- und Landkreisen entsprechen. Der GBA erhält "die Möglichkeit", Planungsbereiche nach hausärztlicher, fachärztlicher und spezialisierter fachärztlicher Versorgung zu differenzieren. Voraussetzungen für regionale Besonderheiten darf der GBA nicht festsetzen, regionale Gremien sollen mehr Spielraum bekommen.
Verhältnis Länder - GBA: Bei Fragen zur Bedarfsplanung bekommen die Länder ein Mitberatungs- und Initiativrecht. Dazu gehören Rede- und Anwesenheitsrechte. Der GMK-Vorsitz koordiniert, wie viele Vertreter der Länder geschickt werden.
Erweiterte Rechte der Länder: Die Länder bekommen die Rechtsaufsicht über den Landesausschuss. Die Beschlüsse müssen dem Land vorgelegt werden, das Land kann sie beanstanden. Analog zu den Rechten der Patientenvertreter erhält das Land ein Mitbearbeitungsrecht. Jedes Land kann bestimmen, wie viele Landesvertreter im Ausschuss sitzen.
Selektivverträge: Jeder Landesaufsichtsbehörde sind die Selektivverträge vorzulegen, die Auswirkungen auf die regionale Versorgung haben. Das gilt vor allem für bundesweite Kassen.
Grüttner: Ich sehe keinen Misserfolg. Alleine die Tatsache, dass wir ein Mitwirkungs- und Initiativrecht haben, ist schon ein großer Erfolg. Bisher sind wir beim GBA ja überhaupt nicht beteiligt gewesen.
Ärzte Zeitung: Gestern hat das Bundesgesundheitsministerium von einem "Verteilungsproblem" bei Ärzten gesprochen. Das deckt sich mit dem Standpunkt der Kassen, die keinen Ärztemangel in Deutschland erkennen können. Wie stehen Sie dazu: Gibt es einen Ärztemangel oder ein Verteilungsproblem?
Grüttner: Es ist beides. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir statistisch gesehen noch keinen Ärztemangel. Aber bereits ein Verteilungsproblem, wenn man den ländlichen Raum mit den Ballungsgebieten vergleicht.
Wir müssen jetzt in die Zukunft schauen, damit wir nicht in einen Ärztemangel hineinwachsen. Daher müssen wir jetzt mit neuen Anreizsystemen für die Auswahl beim Medizinstudium, einer Landarztquote und Anreizen für Niederlassungen auf dem Land starten.
Ärzte Zeitung: Sind Sie nach dem Verhandlungsmarathon überzeugt, dass der Bund die Ländervorstellungen in das Versorgungsgesetz aufnimmt und sie nicht mehr in den Beratungen gekippt werden?
Grüttner: Davon gehen wir aus. Nach etlichen Gesprächen unter den Ländern habe ich als GMK-Vorsitzender parallel auch Gespräche mit den Regierungsfraktionen im Bundestag geführt.
Es nützt nichts, sich mit dem BMG zu verständigen und anschließend in den Fraktionen auf Widerstand zu stoßen. Dass wir uns auch parteiübergreifend einigen konnten, zeigt, dass Politik handlungsfähig ist und bleibt.
Das Gespräch führte Rebecca Beerheide