Wegen pandemiebedingter Mehrausgaben
Lauterbach macht weitere Milliarde Euro für Pflegeversicherung locker
Mit neuen Finanzhilfen will Gesundheitsminister Lauterbach die Pflegeversicherung stützen. Den Krankenkassen geht der Schritt nicht weit genug – sie wollen eine nachhaltige Reform.
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Pflegealltag im Heim: Per Verordnung will das BMG der Pflegeversicherung für pandemiebedingte Aufwendungen ab Oktober zusätzlich eine Milliarde Euro bereitstellen.
© Bernd Weißbrod / dpa
Berlin. Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) springt der sozialen Pflegeversicherung (SPV) in der Coronavirus-Pandemie mit weiterem Geld zur Seite – eine nachhaltige Finanzreform steht allerdings weiter aus.
Ausweislich eines der Ärzte Zeitung vorliegenden Referentenentwurfs des Bundesgesundheitsministeriums für eine „Verordnung zur Erstattung pandemiebedingter Kosten“ will der Bund für den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung im Oktober eine Milliarde Euro bereitstellen.
Ausgleich für Hygiene- und Pandemiemaßnahmen
Aufgefangen werden sollen mit dem zusätzlichen Geld unter anderem Ausgaben der Pflegeversicherung für Hygieneutensilien, Personal und weitere Pandemiemaßnahmen in den rund 30.000 Einrichtungen der Langzeitpflege.
Um die Pflegefinanzen zu stützen, hatte der Bund bereits in diesem Frühjahr 1,2 Milliarden Euro lockergemacht – plus einem regulären Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro. Im August wurde über das Bundesamt für Soziale Sicherung zudem ein Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro gewährt.
Soziale Pflegeversicherung
Ein Darlehen verhindert, dass Pflegekassen finanziell auf Grund laufen
Die Ampel hat im Koalitionsvertrag eine „moderate“ Beitragssatzsteigerung bei der Pflege angekündigt. Aktuell geben Versicherte mit Kindern 3,05 Prozent ihres Bruttoeinkommens ab, für Versicherte ohne Kinder liegt der Beitragssatz derzeit bei 3,4 Prozent.
Vertreterinnen und Vertreter der Pflegekassen stuften die angekündigte zusätzliche Milliarde Euro als „sinnvoll“ ein, allerdings reiche der Schritt nicht aus, um die Pflegefinanzen grundlegend zu stabilisieren. „Die SPV muss endlich nachhaltig finanziert werden, denn Pflegebedürftige und Pflegekräfte brauchen mehr Sicherheit“, betonte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Dr. Carola Reimann.
Kassenvertreter: Sinnvoll, aber nicht ausreichend
Der Bundesregierung warf die AOK-Vorständin vor, „riskant auf Sicht“ zu fahren und die Finanzprobleme der Pflege in die Zukunft zu verschieben. „Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft gefährlich weit auseinander.“
Das Darlehen, das zulasten der Beitragszahlenden gehe, müsse überdies schon im nächsten Jahr zurückgezahlt werden. Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) hatte die Darlehensgabe des Bundes kürzlich als kaum langfristig wirksame Finanzlösung kritisiert.
Der GKV-Spitzenverband erklärte, der im Referentenentwurf des BMG vorgesehene Erstattungsbetrag sei gemessen an den seit dem Jahr 2020 nicht durch Bundesmittel gedeckten Mehrausgaben „unzureichend“. Auch mit einer weiteren Milliarde Euro aus Bundesmitteln würden lediglich 5,5 Milliarden Euro der bis zum Jahresende 2022 rund zwölf Milliarden Euro anfallenden pandemiebedingten Mehrausgaben refinanziert.
„Ankündigungen im Koalitionsvertrag umsetzen“
AOK-Chefin Reimann verwies darauf, dass im Koalitionsvertrag „zielführende“ Vereinbarungen zur nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung angekündigt seien. Dazu gehöre, dass der Bund die Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen übernehme und so die Pflegekassen entlaste.
Nicht in die „angespannte Lage“ der Pflegeversicherung passe, Darlehen aufzunehmen und jedes Jahr rund 1,6 Milliarden Euro Beitragsmittel in den Pflegevorsorgefonds umzuleiten. Stattdessen sei zu überlegen, den Vorsorgefonds vorläufig auszusetzen, so Reimann.
Der Sondertopf ist für die Zeit gedacht, wenn die sogenannten Babyboomer das pflegebedürftige Alter erreichen. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hatte kürzlich davor gewarnt, den Vorsorgefonds anzufassen, dieser sei vielmehr weiter aufzustocken. Auch brauche es mehr Anreize für private Pflegevorsorge. Geringverdiener seien dabei mit Steuermitteln zu unterstützen. (hom)