Krankenhäuser im Zwist
Löst die Klinikreform den gordischen Knoten?
Bund und Länder haben bis Ende des Jahres wie versprochen Eckpunkte für eine Krankenhausreform vorgelegt. 2015 soll ein Gesetz erarbeitet werden, das zum 1. Januar 2016 in Kraft treten kann. Doch bis dahin dürfte es noch etliches Hauen und Stechen geben.
Veröffentlicht:BERLIN. Wenn in diesen Zeiten von Krankenhäusern die Rede ist, dann von zu vielen Kliniken, zu vielen unnötigen Operationen, zu vielen Hygieneproblemen, zu wenig Geld.
Die Hälfte der etwa 2000 Häuser schreibt rote Zahlen. Trotzdem stiegen die Ausgaben für sie von 2008 bis 2012 um 20 Prozent auf gut 60 Milliarden Euro.
Im Grunde sind sich die Interessengruppen einig, dass sich etwas ändern muss. Doch was sich ändern soll, ist umstritten. Krankenhausgesellschaft und -ärzte auf der einen Seite wollen vor allem mehr Geld, die Krankenkassen auf der anderen wollen eine Strukturreform und mehr Mitsprache bei der in der Zuständigkeit der Länder liegenden Planung. Die Politik sucht mit einer Gesetzesnovelle einen Ausgleich.
"Wir haben eine Krankenhausstruktur, die eine Fortschreibung des Planungs- und Versorgungsprofils aus der Mitte der 1970-er Jahre ist. Die Medizin ist heute aber eine völlig andere", sagt der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub.
Stationäre Eingriffe und anschließender Aufenthalt im Krankenhaus hätten sich fundamental geändert.
Viel mehr ambulante Eingriffe als früher
Einfache Eingriffe werden heute ambulant durchgeführt, oder kurzstationär. Viele andere Leistungen, wie die Versorgung bei einer Tumorerkrankung oder nach einem Herzinfarkt, erfordern dagegen eine personelle und apparative Struktur, die in kleinen Kliniken nicht vorgehalten werden kann.
Zudem haben sich in den zurückliegenden Jahrzehnten bei Kliniken wie niedergelassenen Ärzten Überkapazitäten in Ballungsräumen und Unter- beziehungsweise Fehlversorgung auf dem Land verfestigt. Trotzdem können 99 Prozent der Bundesbürger im Notfall in 30 Minuten eines der heute noch 2000 Krankenhäuser erreichen.
Dieser Standard soll gehalten, zugleich aber sollen ineffiziente Versorgungsstrukturen aufgebrochen werden. Die Marktbereinigung soll in erster Linie über ein neues Qualitätsmanagement erreicht werden.
Auf Eckpunkte einer Reform einigten sich Experten von Bund und Ländern Anfang Dezember, 2016 sollen neue Regelungen in Kraft treten. Je nach Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung soll es für Krankenhäuser dann Zu- oder Abschläge geben - und zwar so, dass der Patient erkennen kann, wo es Defizite gibt.
"Die Patienten werden schon mit den Füßen abstimmen", sagt die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Soll heißen: Die Kliniken werden so gezwungen, sich auf das zu konzentrieren, was sie wirklich können. Sie müssen sich also spezialisieren, ineffiziente Abteilungen oder gar ganze Häuser werden geschlossen.
Patientenwohl und Klinikinteressen - ein Gegensatz?
Auf diesem Wege könnte auch das Problem angegangen werden, dass bei vielen Operationen das wirtschaftliche Wohl der Kliniken eher im Vordergrund steht als das Patientenwohl.
Viele Experten machen nämlich zu einem großen Teil diese sogenannte Mengendynamik für den massiven Kostenanstieg im Krankenhaussektor verantwortlich.
Klar ist dabei, dass für einen Umbau der Klinikstrukturen in Deutschland Geld in die Hand genommen werden muss. 500 Millionen Euro sollen dafür aus dem Gesundheitsfonds kommen, 500 Millionen sollen die Länder entsprechend gegenfinanzieren. Zudem werden für den Ausbau der zuletzt geschwächten Pflege in den Kliniken 660 Millionen Euro bereitgestellt.
Auffallend ruhig verhält sich die Ärzteschaft in dieser Auseinandersetzung um die Krankenhausstrukturreform. Dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Professor Frank Ulrich Montgomery, fällt beim Bund-Länder-Eckpunktepapier vor allem eines ein: "Gute medizinische Versorgung ist nicht zum Nulltarif zu haben."
Qualität - ein Thema für Ärzte
Der Chef der Techniker Krankenkasse, Dr. Jens Baas, meint: "Die Ärzteschaft müsste doch ein Interesse haben, das Thema Qualität an sich zu reißen."
Nicht die Kasse solle sagen, was Qualität ist, die Ärzte und Fachgesellschaften müssten das tun. Experten gehen denn auch davon aus, dass viele Ärzte vor Ort in den Kliniken die Problematik anders sehen als ihre Funktionäre.
Barmer GEK-Chef Straub setzt auf den ärztlichen Nachwuchs. Für diesen seien zwei Dinge prägend: Es seien deutlich mehr Frauen im Arztberuf.
Und der Ärztenachwuchs suche eine anspruchsvolle, qualifizierte, interdisziplinäre Tätigkeit, aber mit planbaren Arbeitszeiten - ob stationär oder ambulant. Das sei in Einzelpraxen oder kleinen Häusern auf dem Land derzeit noch nicht zu haben. (dpa)