Ersatzkassen

"Mit der GKV sitzen Sie in der ersten Klasse der Medizin"

Eine klare Absage an das Experiment Bürgerversicherung kommt von den Ersatzkassen. Auch eine Honorar-Egalisierung löse das Problem der Wartezeiten nicht, dagegen wären Arzt-Honorarkürzungen in einem Fall sogar denkbar.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Einfach nur undankbar? Laut vdek-Vorsitzender sitzen GKV-Patienten bereits in der ersten Klasse der Medizin. © miklyxa / stock.adobe.com

Einfach nur undankbar? Laut vdek-Vorsitzender sitzen GKV-Patienten bereits in der ersten Klasse der Medizin. © miklyxa / stock.adobe.com

© miklyxa / stock.adobe.com

BERLIN. 85 Prozent der Deutschen sind mit der medizinischen Versorgung zufrieden oder sogar sehr zufrieden, die Werte für Haus- und Fachärzte liegen bei 96 und 88 Prozent. Dies geht aus einer aktuellen Repräsentativumfrage unter 1000 Bundesbürgern des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Ersatzkassenverbandes vdek hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse könne nicht davon die Rede sein, dass es in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin gebe, wie dies der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach behauptet, so die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner.

Aufgrund der Bewertungsverfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Qualitätssicherungsverfahren, die es in der privaten Krankenversicherung nicht gebe, sitzen GKV-Versicherte "in der Ersten Klasse der medizinischen Kunst", so Elsner.

Honorarkürzungen, falls freie Termine nicht gemeldet werden

Die Umfrage offenbare aber auch Schwächen der Versorgung: Wartezeiten in der Praxis und auf einen Termin. Jedoch sei nur 52 Prozent der Versicherten bekannt, dass es Terminservicestellen bei den KVen gebe. Deren Arbeit sei teilweise verbesserungsbedürftig.

Ärzte müssten dazu verpflichtet werden, freie Termine an die Terminservicestellen zu melden, und KVen müssten ausreichende Kapazitäten zur Bearbeitung von Terminanfragen bereitstellen. Andernfalls dürften Honorarkürzungen kein Tabu sein.

Geprüft werden solle, ob stets eine Überweisung des Hausarztes zum Facharzt für eine Terminvermittlung vorliegen müsse. Für fragwürdig hält Elsner die Vorschrift, wonach bereits 20 Stunden Sprechzeit einem Vollzeit-Äquivalent in der Arztpraxis entsprechen.

Vor diesem Hintergrund hält es der vdek nicht für zielführend, eine Honorarangleichung anzustreben und fünf Milliarden Euro mit der Gießkanne zusätzlich in der vertragsärztlichen Versorgung zu verteilen. Es sei aber überlegenswert, Fehlanreize in der Vergütungssystematik, etwa durch die Regelleistungsvolumina und die Verschiebung von Behandlungen ins Folgequartal, zu analysieren.

Weitere Aufgaben für die Gesundheitspolitik in dieser Wahlperiode: Zusätzliche Studienplätze für Mediziner, die sich verpflichten, Vertragsärzte zu werden; bessere Nutzung der Digitalisierung, Einführung einer Videosprechstunde und Abschaffung des Fernbehandlungsverbots sowie die obligatorische Einrichtung von Portalpraxen an Krankenhäusern.

Lob für Parität

Ausdrücklich begrüßen die Ersatzkassen die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung, mit der Versicherte um sieben Milliarden Euro entlastet werden. Dringend notwendig sei eine sichere und schrittweise Anhebung der GKV-Beiträge für ALG-II-Empfänger an den Durchschnittsbeitrag.

Beseitigt werden müssten die Fehlsteuerung durch den Morbi-RSA, die zu einer Überdeckung von 59 Euro je Versicherten im AOK-System und einer Unterdeckung von 35 Euro bei den Ersatzkassen führe.

In der Pflegeversicherung plädiert der vdek für eine gesetzliche Dynamisierung der Leistungsbeiträge, um das Risiko für Pflegebedürftige zu mindern, in die Sozialhilfe abzurutschen. Bei sinkenden Rücklagen sei dazu ein Finanzierungskonzept notwendig.

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Versorgung von Privatpatienten

PKV-Vergütung bringt Praxen knapp 74.000 Euro zusätzlich

Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 31.01.201812:14 Uhr

VDEK-Presseerklärung - "Fake-News" kritisch beleuchtet!

Titel: "vdek stellt Forsa-Umfrage zu Einstellungen der Bevölkerung zur GKV-Finanzierung und medizinischen Versorgung vor"
https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2018/pk-forsa-umfrage.html
Im Original lautet es:
"Berlin, 30.01.2018 - Pressemitteilung
Die medizinische Versorgung in Deutschland genießt eine hohe Anerkennung in der Bevölkerung. Eine Forsa-Umfrage, die der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) unter 1.000 GKV-Versicherten in Auftrag gegeben hat, bestätigt dies: 85 Prozent der Menschen sind sehr zufrieden (30 Prozent) bzw. zufrieden (55 Prozent) mit der medizinischen Versorgung. Die große Mehrheit der Befragten wertschätzt auch die Leistungsprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), wie die kostenfreie Familienversicherung, das Sachleistungsprinzip oder die solidarische Beitragserhebung."

Was gegenüber den Befragten manipulativ verschwiegen wurde:

1. "Leistungsprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)" werden allein durch das "Wirtschaftlichkeitsgebot" nach § 12 Sozialgesetzbuch 5 (SGB V) definiert:
"Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten" [WANZ-Prinzip wirtschaftlich, ausreichend, notwendig, zweckmäßig).

2. Eine "kostenfreie Familienversicherung" gibt es nicht: Diese und alle anderen familienpolitischen und sonstigen Leistungen der GKV in Höhe von insgesamt 35 Milliarden € pro Haushaltsjahr werden zu etwa 2/3 durch GKV-Versicherungsbeiträge von Einzelpersonen bzw. Familien-Doppelverdienern finanziert und nur zu etwa 1/3 durch den gesetzlichen Bundezuschuss zur GKV aus den Steuereinnahmen aller Steuerpflichtigen generiert.

3. "Solidarische Beitragserhebung" beginnt bei den Bezieher/-innen unterer und mittlerer Arbeits-Einkommen, welche prozentual die Hauptlast mit 7,3% vom SV-Brutto in die GKV einzahlen müssen (Arbeitgeber ebenfalls 7,3% ohne Zusatzbeitrag). Sie endet mit der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) von 4.350,00 € monatlich (Stand 2017): Weil darüber hinaus hohe Einkünfte z. B. ab 10.000 € bis 15.000 € nur noch mit 3,18% bzw. 2,12% Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Krankenkassenbeiträgen privilegiert werden.

Dass GKV-Versicherte laut vdek-Vorstandsvorsitzender Ulrike Elsner "in der Ersten Klasse der medizinischen Kunst" sitzen, ist eine lupenreine illusionäre Verkennung der Tatsachen. Diese "Fake-News"-Erklärung sollte nach dem Wettbewerbs-Recht (UWG §12 Abs. 1) durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung geahndet werden. Dazu befugt wären Verbraucherschützer, parlamentarische Gremien, KBV, KVen, PKV bzw. Landes und Bundesgesundheitsbehörden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Karlheinz Bayer 31.01.201807:46 Uhr

wieso dieser Beistand der VdEK?


Immer dann, wenn sich die VdEK meldet und etwas "für uns Ärzte" vorgibt zu tun, werde ich hellhörig.
Es ist auch die Rede davon, den EBM der GOÄ anzupassen, und nicht allein umgekehrt. Es ist die Rede von etwa 4,5 Milliarden, die das den GKV-Zweig kosten könnte.
Aha!

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Empfehlungs-Wirrwarr

Drei Hypertonie-Leitlinien: So unterscheiden sie sich

Lesetipps
Betritt unbekanntes Terrain: CDU-Politikerin und designierte Bundesministerin für Gesundheit Nina Warken.

© Bernd Weißbrod/dpa

Update

Überraschende Personalie

Eine Juristin wird Gesundheitsministerin: Das ist Nina Warken