Gastbeitrag

Moderner Mutterschutz für die Chirurgie!

Das Mutterschutzgesetz wurde novelliert. Trotzdem werden oft pauschale Beschäftigungsverbote verhängt.

Ein Gastbeitrag von Andrea Kreuder und Maya Niethard Veröffentlicht:
Unfreiwillig in den Mutterschutz: Gut ausgebildeten Ärztinnen, die tagtäglich für und mit ihren Patient:innen zusammen schwerwiegende Entscheidungen treffen, wird die Kompetenz abgesprochen, für sich selbst und das Kind gut zu entscheiden.

Unfreiwillig in den Mutterschutz: Gut ausgebildeten Ärztinnen, die tagtäglich für und mit ihren Patient:innen zusammen schwerwiegende Entscheidungen treffen, wird die Kompetenz abgesprochen, für sich selbst und das Kind gut zu entscheiden.

© contrastwerkstatt / stock.adobe.com

Vor mehr als sechs Jahren trat die Novellierung des Mutterschutzgesetzes in Kraft. Das novellierte Gesetz sollte den Mutterschutz moderner machen und schwangeren und stillenden Personen ermöglichen, ihren Beruf weiterhin auszuüben.

Die zwei Ziele des Gesetzes sind der Schutz der Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Geburt und in der Stillzeit sowie die (Um-)Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die die Fortsetzung der Beschäftigung oder Ausbildung ermöglicht und einer Benachteiligung entgegenwirkt. Die Schwangerschaft darf nicht Grund für Diskriminierung sein.

In der Umsetzung des novellierten Gesetzes hapert es in der Medizin jedoch noch sehr. So werden nach Bekanntgabe einer Schwangerschaft immer noch viele pauschale betriebliche Beschäftigungsverbote ausgesprochen – oftmals ohne nachvollziehbare Begründung. Gut ausgebildeten Ärztinnen, die tagtäglich für und mit ihren Patient:innen zusammen schwerwiegende Entscheidungen treffen, wird die Kompetenz abgesprochen, für sich selbst und das Kind gut zu entscheiden.

Die Initiative „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS) beschäftigt sich seit 2015 intensiv mit der Thematik und bietet Lösungsansätze für die Umsetzung eines modernen Mutterschutzes im Alltag. Umfragen zeigen, dass circa drei Viertel der Ärztinnen während ihrer Schwangerschaft und Stillzeit arbeiten möchten.

Beschäftigungsverbot darf nur Ultima Ratio sein

Von 4.800 Befragten durften vor der COVID-Pandemie im Mittel 60 Prozent gar nicht und ein Viertel nur reduziert operieren. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, durch Schwangerschaft und Tätigkeitseinschränkungen in ihrer weiteren ärztlichen Karriere behindert worden zu sein.

Jeder Betrieb ist laut Mutterschutzgesetz dazu verpflichtet, für den theoretischen Fall einer Schwangerschaft eine allgemeine, anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Kommt es dann zur Bekanntgabe einer Schwangerschaft, muss für die Weiterbeschäftigung eine individuelle Gefährdungsbeurteilung für die Schwangere erstellt werden.

In dieser individuellen Gefährdungsbeurteilung werden der Tätigkeitsbereich sowie bei Vorliegen von Gefährdungen die zu treffenden Schutzmaßnahmen definiert. Arbeitgeber:innen müssen in der Folge den Arbeitsplatz so anpassen, dass Schwangere und Stillende ihrer Tätigkeit nachgehen können. Sollte eine Weiterbeschäftigung trotz einer Umgestaltung des Arbeitsplatzes nicht möglich sein, kann die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz erfolgen.

Das betriebliche Beschäftigungsverbot darf laut Gesetz nur die Ultima Ratio sein. In Realität wird das betriebliche Beschäftigungsverbot jedoch oft sehr leichtfertig und gegen den Willen der Schwangeren und Stillenden ausgesprochen. Dies hat verschiedene Gründe, so gibt es auch in der Beurteilung einer Schwangerschaft ein Nord-Süd-Gefälle.

Die pauschalen Beschäftigungsverbote haben weitreichende sozioökonomische Konsequenzen – die Weiterbildungszeit der Schwangeren verlängert sich erheblich und Karrierestufen werden später erreicht. Die Kliniken verlieren andererseits in Zeiten von Fachkräftemangel gut ausgebildete Ärztinnen; viel Wissen und Potenzial bleiben ungenutzt. Eine wichtige Ursache auf Seiten der Arbeitgeber:innen scheint Unwissen über die vorhandenen Möglichkeiten der Arbeitsplatzanpassung zu sein. Die Sorge ist groß, etwas falsch zu machen und dadurch juristisch angreifbar zu sein.

Positivlisten und Leitfäden können helfen

Hilfreich für die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung sind Positivlisten und Leitfäden, die bereits von einigen Fachgesellschaften– so auch von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie – veröffentlicht wurden. Neben rechtlichen und allgemeinen Grundlagen zum Umgang mit dem Mutterschutzgesetz findet sich hier eine Aufstellung von operativen Eingriffen, die in der Schwangerschaft unbedenklich durchführbar sind, wenn die Schutzmaßnahmen eingehalten werden.

Eine Auflistung der bisher veröffentlichten Positivlisten und Leitfäden findet sich unter www.opids.de. Hier sind auch weitere, hilfreiche Informationen und Dokumente zu finden. Des Weiteren gibt es dort und über den Verein „Die Chirurginnen e.V.“ die Möglichkeit, über ein Kontaktformular Hilfe anzufragen oder sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

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