Kommentar – Nach der KBV-Wahl

Neue Gesichter, aber alte Probleme

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

Betrachtet man das Personaltableau der KBV-Vertreterversammlung und des Vorstandes, so kann man von einem personellem Neustart sprechen. Nur der KBV-Vorsitzende selbst ist mit Dr. Andreas Gassen der Alte. Das ist eine Hoffnung, aber dennoch keine Garantie für einen wirklichen Neustart der Selbstverwaltungsorganisation für 160.000 Ärzte und Psychotherapeuten.

Notwendig ist ein interner Reinigungsprozess, der nur dann gelingt, wenn jedes Mitglied der Vertreterversammlung den Willen des Gesetzgebers, der im Selbstverwaltungsstärkungsgesetz artikuliert ist, ernst nimmt und praktiziert. Und das heißt: ernsthafte Kontrolle des Vorstandes, Anerkennung der persönlichen Haftung und Verantwortung. Dazu wird auch gehören, die Fehlentwicklungen in der Vergangenheit aufzuarbeiten, transparent zu machen und Instrumente für "good Governance" zu implementieren und zu praktizieren.

Nach den Jahren lähmender Auseinandersetzungen des ehemaligen Vorstandes ist dem auf nun drei Köpfe gewachsenen Gremium eine neue Qualität an Kooperation und Effektivität zu wünschen. Tatsache ist, dass der Gesetzgeber in vielen Entscheidungen nicht mehr auf die Gestaltungskraft, Kompetenz und Integrität der ärztlichen Selbstverwaltung vertraut: Das gilt etwa für die Terminservicestellen, etliche sanktionsbewehrte Vorgaben aus dem E-Health-Gesetz und natürlich für das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz.

Zu den nachdenklich stimmenden Tatsachen gehört auch, dass die ärztliche Notfallversorgung den Vertragsärzten mehr und mehr entglitten ist, die Kliniken überfordert und Ressourcen verschwendet. Es wird viel Überzeugungsarbeit im politischen Berlin erfordern, wirksame Instrumente für eine Versorgungssteuerung zu entwickeln, die der beliebigen und bequemen Inanspruchnahme medizinischer Kapazitäten durch die Patienten Grenzen setzen.

Geradezu dramatisch ist der Kompetenzverlust der KBV und damit der niedergelassenen Ärzte in der Arzneimittelpolitik. Nach sechs Jahren AMNOG und früher Nutzenbewertung ist es nicht gelungen, die ärztliche Verantwortung auf die Indikationsstellung zu konzentrieren und die Frage der Wirtschaftlichkeit eindeutig Kassen und Herstellern zuzuweisen. Die Politik kneift, und zwar auch deshalb, weil sie ärztlicher Selbstverwaltung nicht vertraut. Am Ende sind dies auch schlechte Bedingungen dafür, dass junge Ärzte Versorgungsverantwortung in einer eigenen Praxis übernehmen.

Dem Bekenntnis zur Teamarbeit, das der neue Vorstand nach seiner Wahl am Freitag ablegte, müssen Taten folgen. Denn am Ende zählen nur Ergebnisse.

Lesen Sie dazu auch: Gassen, Hofmeister, Kriedel stellen die neue KBV-Spitze Neuanfang mit Teamgeist und drittem Mann

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Kommentare
Wolfgang Bensch 07.03.201714:37 Uhr

"Entglittene Notfallversorgung" - Pleitegeier`s Gleitflug?

Komisch, niemand macht sich die Mühe, einmal in den Notfalldienstordnungen der verschiedenen Landes-KV-en einfach nachzulesen, was Vertreterversammlungen zur Finanzierung dieser Dienste beschlossen haben.
Hier am Beispiel Thüringen:

§ 12 Kosten (Notfalldienstordnung Thüringen)

(1) Alle im organisierten vertragsärztlichen Notdienst anfallenden Kosten werden von allen zur Teilnahme verpflichteten und berechtigten Ärzten und Einrichtungen ihrer Zahl entsprechend anteilig getragen. Die Kostenberechnung erfolgt für die jeweiligen Notdienstbereiche. Sie werden unabhängig von der Teilnahme des einzelnen Arztes nach der Anzahl der im jeweiligen Notdienstbereich zur Teilnahme verpflichteten und berechtigten Ärzte anteilig berechnet und von diesen im Umlageverfahren durch die KVT erhoben. Sie werden mit dem vertragsärztlichen Honoraranspruch gegenüber der KVT verrechnet. Sie sind gegenüber den zur Kostentragung verpflichteten Ärzten auf den Auszügen aus dem Honorarkonto nachzuweisen bzw. darzustellen.

(2) Sofern die KVT mit Dritten Verträge zum Transport eines zur Teilnahme am organisierten vertragsärztlichen Notdienst berechtigten und verpflichteten Arztes abschließt, werden die dafür anfallenden Kosten nach der tatsächlichen Inanspruchnahme des Transportdienstes durch den jeweiligen Arzt getragen bzw. über eine Pauschale auf alle am organisierten Notfalldienst teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen umgelegt. Eventuell über die anfallenden Kosten nach der tatsächlichen Inanspruchnahme hinausgehende Transportkosten sind in jedem Fall Bestandteil der allgemeinen Kosten des organisierten vertragsärztlichen Notdienstes nach Abs. 1.

Das bedeutet für jeden sowieso dienstverpflichteten Kassenarzt, dass er auch noch selbst an der Finanzierung dieser Dienste per Vorwegabzug an seinem Honorar beteiligt ist. Wie weit ist es noch bis zum "Ehrenamt" Notfallversorgung als dienstverpflichteter Kassenarzt?
Auf keinen Fall am Sicherstellungsauftrag für die kassenärztlichen Vereinigungen rütteln - das ist vermutlich die Triebfeder solcher Entschlüsse in den funktionärs-dominierten Vertreterversammlungen, nur nicht die "bewährte Selbstverwaltung" in ihrem seltsamen Eigenleben aufstören!

Christoph Schüürmann 07.03.201710:56 Uhr

„Notfallversorgung entglitten“ ?


In keinster Weise, sie besteht wie bisher als der vertragsärztlich festgesetzte Ärztliche Bereitschaftsdienst.
Richtig ist, dass das Anspruchsverhalten und die Unwissenheit angestiegen sind, aber auch der Mißbrauch.
Es gibt zu dem Thema längst höchstrichterliche Rechtsprechung, sogar konforme Stellungnahmen aus der Politik, die Sache ist eindeutig.
Auch das SGB spricht eine eindeutige Sprache, die Regeln dazu haben nicht die Vertragsärzte gemacht.
Bei der klaren Definition Notfall ist der alleinige Wunsch eines Patienten nicht ausschlaggebend, für viele sicher inzwischen ziemlich ungewohnt.
Krankenhäuser sind nicht für die ambulante Behandlung zuständig, schon gar nicht zu Praxisöffnungszeiten. Davon gibt es Ausnahmen, z.B. AOP oder ASV.
Wenn sich die Kliniken an die gesetzlichen Vorgaben konsequent halten würden, wären sie auch nicht so überfordert. Stattdessen werden vieler Orts sogar Chefarztstellen in den Notfall-Ambulanzen eingerichtet, warum wohl ?
Nur echte Notfälle sollen im Krankenhaus behandelt werden, dafür gibt es zur Unterscheidung nun (endlich) die Abklärungspauschale.
Echte Notfälle in Kürze zu erkennen und danach zu handeln, ist für uns Praxisärzte tägliche Arbeit und Herausforderung, das können unsere fachärztlichen Klinikkollegen genau so gut.
Es geht hier also überhaupt nicht um die Zurückweisung von wirklichen Notfallpatienten sondern darum, die Einrichtung einer neuen dritten Versorgungsebene, die nur Notfallversorgung heißt, nicht noch weiter voranzutreiben.
Wenn der Staat eine solche dritte Versorgungsebene für alles zu jeder Tages- und Nachtzeit mit sofortiger Maximaldiagnostik unbedingt will, dann muss er uns dafür auch einen Kostenträger nennen, was er aber natürlich nicht tut.
Wir Vertragsärzte bleiben dem Wirtschaftlichkeitsgebot per Gesetz weiter unterworfen, und bislang ist diese Kostenstelle aber ausschließlich bei uns Vertragsärzten als Vorwegabzug verortet und bedeutet schlichtweg, dass die tägliche Arbeit der Vertragsärzte darüber hinaus noch schlechter bezahlt wird, wenn sich das sogenannte „Notfallbehandlungsphänomen“ noch weiter ausdehnt.
Bei inzwischen über 1 Milliarde (!) Arztkontakten pro Jahr in Deutschland für gut 80 Millionen Menschen denke ich persönlich, dass es ausreichend sein muss, um seine Gesundheitsprobleme vorzutragen, und die echten Notfälle, die dazu kommen, werden sicher weiter wie bisher sofort und effektiv einer notwendigen Diagnostik und Therapie zugeführt werden, das ist und bleibt unstrittig.
Dr.Ch.Schüürmann, 1. Vors. BNC (www.bncev.de)

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