75 Krankenkassen im Vergleich

Neun AOKen müssen Beitragssatz erhöhen

Von 75 gesetzlichen Krankenkassen erhöhen 15 ihren Beitragssatz – darunter sind neun AOKen. Dagegen wird es 2022 für die Versicherten von neun BKKen günstiger. Das zeigt unser großer Beitragssatz-Check.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Der Staat polstert die Finanzierungslücke der GKV mit Steuergeld, dennoch müssen etliche Kassen ihre Zusatzbeiträge erhöhen.

Der Staat polstert die Finanzierungslücke der GKV mit Steuergeld, dennoch müssen etliche Kassen ihre Zusatzbeiträge erhöhen.

© BK / stock.adobe.com

Berlin. Schaut man nur auf den durchschnittlichen Zusatzbeitrag, dann tut sich beim Extra-Obolus für die mehr als 57 Millionen Kassenmitglieder 2022 wenig. Der vom Verordnungsgeber jedes Jahr neu festgelegte durchschnittliche Zusatzbeitrag bleibt unverändert bei 1,3 Prozent. Anders war das noch Ende 2020: Damals wurde dieser Wert um 0,2 Punkte auf 1,3 Prozent angehoben.

Tatsächlich steigt der Finanzbedarf der Kassen im kommenden Jahr kräftig. Auf rund 28 Milliarden Euro hat der Schätzerkreis beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) im Oktober das Defizit für das Jahr 2022 beziffert.

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Zugleich hat die ehemalige große Koalition die Sozialgarantie formuliert, nach der die Summe der Sozialbeiträge 40 Prozent vom Brutto nicht überschreiten soll. Deshalb hat der Gesetzgeber mit dem Gesundheits-Versorgungs-Weiterentwicklungs-Gesetz (GVWG) den Zusatzbeitrag auf 1,3 Prozent festgeschrieben.

Um die Finanzierungslücke zu kompensieren, hat der Bund seinen Steuerzuschuss für 2022 von 14,5 auf 28,5 Milliarden Euro fast verdoppelt. Ohne die massive Intervention des Staates hätten die Zusatzbeiträge zum Jahreswechsel um bis zu 0,5 Punkte heraufgeschraubt werden müssen.

Schlagseite zu Lasten des AOK-Systems

Doch von Ruhe an der Beitragsfront in der GKV kann keine Rede sein. Allerdings haben die Anpassungen beim Zusatzbeitrag eine deutliche Schlagseite zu Lasten des AOK-Systems. Mehrere mitgliederstarke AOKen haben Erhöhungen angekündigt, so die AOKen Bayern sowie Baden-Württemberg, die beide ihren Zusatzbeitrag um 0,2 Punkte auf 1,3 Prozent erhöht haben (siehe nachfolgende Tabelle).

Im gleichen Umfang muss die AOK Hessen den Obolus für ihre Mitglieder auf 1,5 Prozent heraufschrauben, bei der AOK Nordost sogar auf 1,7 Prozent. Ärger noch trifft es die Mitglieder der AOK Nordwest – dort endet der Beitragssprung um 0,4 Punkte ebenfalls bei 1,7 Prozent. Die größte Veränderung in der AOK-Familie verzeichnet die AOK Rheinland/Hamburg, deren Beitragssatz um 0,5 Punkte angehoben wird.

Anders ist die Lage bei der mit rund 28 Millionen GKV-Versicherten größten Kassenart, den Ersatzkassen. Platzhirsch Techniker Krankenkasse (rund 10,9 Mio. Versicherte) hält den Beitragssatz bei 15,8 Prozent stabil. Und die Barmer (8,8 Mio. Versicherte) und die DAK-Gesundheit (5,6 Mio. Versicherte) drehen an ihrem Beitragssatz von 16,1 Prozent ebenfalls nicht.

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Regionalkomponente stark umstritten

Hintergrund der Entwicklung ist insbesondere eine Neujustierung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) durch das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG). Heiß umstritten war im FKG, das im Februar 2020 in Kraft getreten ist, vor allem die sogenannte Regionalkomponente.

Diese soll regionale Unterschiede bei den Ausgabenstrukturen und die daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen unter den gesetzlichen Krankenkassen ausgleichen. Nach der Lesart der Ersatzkassen können dadurch regionale Über- und Unterdeckungen bei Krankenkassen abgebaut und kann einer weiteren Marktkonzentration in einigen Regionen vorgebeugt werden.

Anders die Interpretation der AOK-Familie: Mit den jüngsten Reformen nehme die Zielgenauigkeit und die Morbiditätsorientierung im RSA eher ab. Denn die Regionalkomponente zementiere die Überversorgung in Ballungsräumen zu Lasten der Versorgung in ländlich geprägten Regionen, so der AOK-Vorwurf.

Gros der Kassen hält Zusatzbeiträge stabil

Angesichts des wirtschaftlichen Gesamtumfelds für die GKV ist es bemerkenswert, dass einzelne Betriebskrankenkassen ihre Zusatzbeiträge im kommenden Jahr senken können, so etwa die BKK Herkules um 0,3 Punkte auf 1,4 Prozent oder – im gleichen Umfang – die BKK Gildemeister Seidensticker auf 0,9 Prozent. Die Bertelsmann BKK verringert ihren Zusatzbeitrag um 0,25 Punkte auf 1,0 Prozent. Einen der stärksten Anstiege verzeichnet dagegen die BKK Würth, und zwar von – stark unterdurchschnittlichen – 0,2 auf 0,9 Prozent.

Das Gros der Kassen – mehr als 50 – wird den Zusatzbeitrag im kommenden Jahr konstant halten. Die Erhöhungen in den bekannten 15 Fällen werden angesichts der Mitgliederstärke der betroffenen Kassen mindestens 14 Millionen Mitglieder treffen. Die Entlastungen konzentrieren sich dagegen auf Betriebskrankenkassen – entsprechend kann man vermutlich von einer sechsstelligen Zahl von Mitgliedern ausgehen, die davon profitieren werden.

Ein gähnend großes Loch hingegen tut sich jetzt schon bei der GKV-Finanzierung für 2023 auf. Hier wird die Ampel-Koalition im kommenden Jahr rasch die Weichen stellen müssen – anderenfalls wird Millionen GKV-Mitglieder im Dezember 2022 ein Beitragsschock ereilen. (Mitarbeit: ths)

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