RWI-Studie

Ökonomen warnen vor Risiken der Bürgerversicherung

Per saldo mehr Nach- als Vorteile: Zu diesem Schluss kommt das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung bei der Bürgerversicherung.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖLN. Die Einführung einer Bürgerversicherung mit der Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV) hätte eine Reihe von negativen volkswirtschaftlichen Effekten.

Zudem wäre eine mögliche Entlastung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht substanziell genug, um den mit dem Systemwechsel verbundenen Aufwand zu rechtfertigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) im Auftrag des PKV-Verbands.

Die Gesundheitsökonomen Dr. Boris Augurzky und Professor Stefan Felder haben modellhaft durchgespielt, welche Auswirkungen verschiedene mit der Bürgerversicherung verbundene Maßnahmen bis zum Jahr 2040 haben könnten.

Dazu gehören die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, die Einbeziehung aller Einkunftsarten und verschiedene Szenarien für die PKV: die völlige Schließung, der Stopp des Neugeschäfts und eine befristete Wechselmöglichkeit für Bestandskunden.

Augurzky: Kapitaldeckung ist sinnvoll

"Der Beitragssatz zum Gesundheitsfonds würde mit der Bürgerversicherung zwar vorübergehend steigen, aber langfristig sinken", sagt Autor Augurzky der "Ärzte Zeitung".

Er ist Leiter des Kompetenzbereichs "Gesundheit" am RWI. Dem stünden aber eine Reihe von negativen volkswirtschaftlichen Folgen gegenüber.

Nach der Untersuchung würde die Bürgerversicherung die implizite Besteuerung der Bevölkerung erhöhen.

Für kritisch hält Augurzky zudem die Tatsache, dass mit der mittel- oder langfristigen Abschaffung der PKV das Element der Kapitaldeckung aus der Krankenversicherung verschwinden oder zumindest stark beeinträchtigt würde.

Trotz der zurzeit ungünstigen Bedingungen auf den Finanzmärkten mache die Kapitaldeckung nach wie vor Sinn, betont er. "Auch bei schlechter Verzinsung macht es mehr Sinn, 180 Milliarden Euro auf dem Konto zu haben als null Euro."

Die Abschaffung der PKV würde für einen Teil derjenigen, die heute dort versichert sind oder die sich privat versichern könnten, eine große Einschränkung bedeuten, gerade was die Wahl- und Tariffreiheit betrifft.

Außerdem verringerte sich der Druck auf die GKV, ihren Versicherten ein hohes Leistungsniveau zu bieten. "Bislang war durch die Konkurrenz der beiden nebeneinander stehenden Systeme eine derartige Anreizstruktur gegeben", heißt es in der Studie.

"Bei den Ärzten würde es massiv Gewinner und Verlierer geben"

Für ungeklärt hält Augurzky in den verschiedenen Konzepten für die Bürgerversicherung die Frage einer Kompensation für die finanziellen Verluste der Ärzte und Kliniken.

Sie würde nicht nur die Senkung des GKV-Beitragssatzes dämpfen, sondern auch zu Umverteilungsdebatten innerhalb der Ärzteschaft führen, erwartet er. "Bei den Ärzten würde es massiv Gewinner und Verlierer geben."

Die von manchen Protagonisten der Bürgerversicherung gewünschte Umverteilung zwischen besser und schlechter Verdienenden gehört nach Ansicht Augurzkys nicht in die Krankenversicherung.

"Die Krankenversicherer sollen sich darum kümmern, dass das Krankheitsrisiko angemessen abgesichert ist und dass die Menschen eine gute Versorgung bekommen." Soziale Fragestellungen müssten dagegen über das Steuersystem geregelt werden.

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