MDK
Onkologen kritisieren Prüfwelle in Kliniken
Prüfverfahren als Geschäftsmodell? Bei ihrer Tagung kritisierte die DGHO den MDK scharf. Das Fazit: "Wir sollten uns das nicht gefallen lassen."
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Der MDK überzieht Kliniken mit zu viel Prüfungen, kritisieren die Onkologen.
© Tobias Kleinschmidt / dpa / picture-alliance?
BERLIN. Krebsexperten üben Kritik an den immer stärker um sich greifenden MDK-Aktivitäten in Krankenhäusern. Die Prüfverfahren würden immer mehr zum Geschäftsmodell für Kassen: Nachdem die Prüfquoten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) jahrelang je nach Einrichtung und Kasse irgendwo um zehn Prozent gelegen hätten, würden mittlerweile oft Quoten um 30 Prozent erreicht, sagte Professor Helmut Ostermann von der Medizinischen Klinik der LMU München bei der Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO). "Wir werden geradezu von einer Prüfwelle überrollt", so der Hämatologe.
Ostermann verdeutlichte das am eigenen Beispiel. Rund elf Prozent betrug die Prüfquote am Klinikum der LMU in den Jahren zwischen 2008 und 2012. "Im Jahr 2015 waren wir bei 23 Prozent, und 2016 landen wir wahrscheinlich bei 30 Prozent", so Ostermann. Bundesweite Daten gibt es für das Jahr 2014: Bei 3,52 Millionen Prüffällen – einer Prüfquote von 18,6 Prozent – ging es um einen Streitwert von 4,5 Milliarden Euro. De facto rückerstattet wurden 1,92 Milliarden Euro. Nach Abzug der Kosten blieben den Krankenkassen demnach rund 1,5 Milliarden Euro Gewinn.
Im Vordergrund stünden derzeit Langliegerzuschläge und die Frage, ob eine stationäre Behandlung nötig gewesen sei, also die obere und untere Grenzverweildauer. Mit zwei markanten Beispielen verdeutlichte Ostermann, welch absurde Züge das annimmt. So war ein Patient mit akuter myeloischer Leukämie und Knochenmarktransplantation (KMT) 64 Tage stationär und machte neben der KMT eine Aspergilluspenumonie, ein akutes Nierenversagen, eine Synkope und eine Enteritis durch. Nach Entlassung fragte der MDK an, ob die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer um vier Tage gerechtfertigt gewesen sei. "Mir bei einer so komplexen Therapie vorwerfen zu lassen, dass ich nicht stringent behandelt hätte, finde ich schwierig", so Ostermann.
Zweites Beispiel: Eine Patientin mit metastasiertem kolorektalem Karzinom war zehn Tage stationär. Die obere Grenzverweildauer beträgt neun Tage, was sofort den MDK auf den Plan rief. Grund für den Zusatztag war unter anderem eine neurologische Abklärung. "Wir sollten uns das nicht mehr gefallen lassen", so Ostermann. Es gehe längst nicht mehr um eine Prüfung, sondern darum, Fälle mit Interpretationsspielräumen auseinanderzunehmen, bei denen es für die Kassen eine Chance auf Gewinn gebe. Neben den Langliegern betreffe das vor allem schwerkranke Patienten, bei denen es schwer sei, genau zu definieren, wann eine ambulante Therapie nicht mehr möglich ist.