Jugendschutzbericht
Online-Mutproben machen Giffey Sorgen
Kinder und Jugendliche lassen sich über soziale Medien immer öfter zu waghalsigen „Wettbewerben“ verleiten – mit erheblichen Gesundheitsgefahren.
Veröffentlicht:
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey ruft Social-Media-Anbieter dazu auf, die Persönlichkeitsrechte junger Menschen im Internet besser zu schützen.
© Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Nagellackentferner auf der Haut anzünden, einen Maiskolben von einer drehenden Bohrmaschine essen, auf fahrende Züge springen: Was nach schlechten Scherzen klingt, macht als Mutproben in sozialen Medien wie Facebook & Co. immer öfter die Runde. „Viele der Wettbewerbe gelten als hip und unterhaltsam, können jedoch ernsthafte Gesundheitsschäden verursachen“, heißt es im kürzlich vorgestellten Jugendschutzbericht 2019 des von Bund und Ländern getragenen Kompetenzzentrums jugendschutz.net. Das Zentrum setzt sich für den Schutz junger Menschen im Internet ein.
Mitmachdruck schafft Nachahmer
„Gefährliche Online-Challenges verbreiten sich in Social Media rasend schnell und finden durch den Mitmachdruck schnell Nachahmer“, warnte Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net. Bei den Mutproben gingen Kinder immer höhere Risiken ein. Auch indirekte Folgen der Teilnahme an riskanten Challenges seien nicht zu unterschätzen. „Es zeigt sich, dass Videos missglückter Versuche besonders viele Klicks bekommen und hämisch kommentiert werden.“ Die User würden mit Spott und Schadenfreude überzogen, so Glaser.
2019 registrierte jugendschutz.net in seinem Bericht insgesamt knapp 7000 sogenannte Verstoßfälle – rund 500 mehr als im Vorjahr. Den größten Zuwachs verzeichnet der Bericht im Bereich der Selbstgefährdung (plus 77) und bei Gewaltdarstellungen (plus 72 Prozent). Die Studie spricht von teils „drastischer Gewalt“, die Heranwachsende „massiv ängstigen und verstören“ könne. Den größten Anteil nehmen erneut Darstellungen sexualisierter Gewalt mit 37 Prozent ein.
„Update für das 21. Jahrhundert“
Knapp 4200 Verstoßfälle beziehen sich den Angaben zufolge auf „hoch frequentierte“ Social-Media-Dienste: 20 Prozent auf Instagram, 19 Prozent auf YouTube, 18 Prozent auf Facebook und 13 Prozent auf Twitter.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey rief die Anbieter dazu auf, die Persönlichkeitsrechte junger Menschen im Internet besser zu schützen. „Die notwendige Technik ist da, aber unser Jugendschutz ist noch nicht so weit“, sagte die SPD-Politikerin.
Der Jugendschutz brauche dringend „ein Update für das 21. Jahrhundert“, so Giffey. Eine entsprechende Gesetzesänderung werde derzeit vorbereitet. Voraussichtlich im Herbst wolle das Kabinett darüber befinden.