Langwieriger Prozess in GKV
PKV ist bei Erstattung neuer Leistungen schneller
Erst wenn der GBA grünes Licht für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gibt, kommen sie in die GKV-Erstattung. Das dauert länger als in der PKV, sichert aber die Qualität.
Veröffentlicht:Köln. Während neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) in der gesetzlichen Krankenversicherung oft erst nach einem langwierigen Prozess in den Leistungskatalog und den EBM Eingang finden, erfolgt die Erstattung durch die privaten Krankenversicherer (PKV) meist sehr viel früher.
Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Gesundheitsökonomen Dr. Anke Walendzik, Carina Abels und Professor Jürgen Wasem vom Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen im Auftrag des PKV-Verbands.
Für die Studie „Die Umsetzung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die vertragsärztliche Kollektivversorgung und in die privatärztliche ambulante Versorgung“ haben die Wissenschaftler die im Zeitraum Anfang 2010 bis Ende 2019 vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) erlassenen Beschlüsse zu 29 NUB unter die Lupe genommen. Sie weisen darauf hin, dass sich die Verhältnisse inzwischen geändert haben, weil der Gesetzgeber dem GBA Fristen für die Bearbeitung gesetzt hat.
Große Zeitspanne bei GBA-Bewertung
Bei den untersuchten Methoden dauerte es vom Eingang des Antrags beziehungsweise dem Beginn der Beratungen beim GBA bis zum Inkrafttreten des Beschlusses zwischen zehn und 216 Monaten. Bei den Entscheidungen des Bewertungsausschusses oder des Erweiterten Bewertungsausschusses – dessen unparteiischer Vorsitzender Wasem seit 2007 ist – beträgt die Zeitspanne zwei bis 56 Monate.
In der PKV gibt es kein dem GBA vergleichbares Prüfsystem. Voraussetzung für die Abrechnung neuer Leistungen über Analogziffern ist, dass die Behandlung oder Untersuchung medizinisch notwendig ist. Wissenschaftliche Evidenz spielt keine Rolle, auch gibt es kein Wirtschaftlichkeitsgebot. „Insgesamt sind also wenige Beschränkungen der Aufnahme von NUB vorhanden“, schreiben die Autoren.
Zeitliche Aussagen darüber, ab wann die NUB im PKV-System erstattet wurden, sind schwer zu treffen. Dort wo sie möglich waren, kommen die Wissenschaftler auf einen zeitlichen Vorlauf bei der PKV-Erstattung von vier bis 21 Jahren. 21 Jahre schneller waren die Privaten bei der Tonsillotomie bei Hyperplasie der Tonsillen und rezidivierender akuter Tonsillitis.
„Leistungen ohne medizinischen Nutzen“ im PKV-System
Die Untersuchung zeigt auch Fälle, in denen der GBA Methoden von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen hat, ohne dass dies im PKV-System großen Widerhall gefunden hätte. Ein Beispiel ist die therapeutische Arthroskopie des Kniegelenks bei Gonarthrose. Das lege die Schlussfolgerung nahe, „dass im PKV-System hier weiter Leistungen ohne medizinischen Nutzen erbracht werden“.
Die Autoren weisen allerdings darauf hin, dass der GBA deutlich mehr NUB in den GKV-Leistungskatalog aufnimmt, als dass er sie ausschließt.
Das Fazit der Studie: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die vom GBA später als positiv bewertet werden, werden von der PKV oft erheblich früher erstattet als von der GKV. Das sei allerdings mit dem Risiko verbunden, dass auch die Kosten für Leistungen übernommen werden, die keinen medizinischen Nutzen haben.
„Legt man die Bewertung des GBA als Maßstab zugrunde, könnte hiermit eine Verringerung der Kosteneffektivität der Versorgung und im Einzelfalle bei belastenden Behandlungen ein Patientenschaden durch Über- oder Fehlversorgung entstehen“, führen Walendzik, Abels und Wasem aus.
„Systeme treiben sich gegenseitig an“
Der Vorsitzende des PKV-Verbands Ralf Kantak sieht in den Ergebnissen einen Beleg für die Vorteile des dualen Systems in Deutschland. „In einem stetigen Ringen um einerseits eine möglichst rasche Einführung medizinischer Innovationen und andererseits um evidenzbasierte Qualitätssicherung ergänzen sich die beiden Systeme sehr gut und treiben sich gegenseitig an.“
Für Kantak belegen die Ergebnisse die Rolle der PKV als Innovationstreiber. Neuerungen kämen in der PKV schneller zu den Patienten. Sie würden dann vielfach, nach der abgeschlossenen Nutzenbewertung des GBA, auch von der GKV übernommen. „Im Ergebnis sichert die Dualität eine sehr gute und moderne Versorgung für alle Patienten.“
Es könne keine Rede davon sein, dass die PKV der Innovationstreiber im deutschen Gesundheitswesen sei, findet dagegen Barbara Steffens. Sie leitet die Landesvertretung Nordrhein-Westfalen der Techniker Krankenkasse. Gerade mit Blick auf die Digitalisierung kämen die Neuerungen über die GKV ins System, betont Steffens.
Beispiele seien die elektronische Patientenakte oder die neuen Digitalen Gesundheitsanwendungen. „Die GKV ist klar der Motor von strukturellen Innovationen.“
Schutz auch vor überzogenen Kosten
Es sei unbestritten, dass der GBA manchmal sehr lange braucht, um seine Entscheidungen zu fällen, sagt Steffens, die früher Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen war. Die genaue Prüfung neuer Leistungen mache aber Sinn. „Es geht um den Schutz der Patienten vor defizitären Methoden und auch vor überzogenen Kosten.“
Die Beispiele Knochendichtemessung und Vakuumversiegelung seien „recht abgestanden“, betont GBA-Sprecherin Ann Marini. „Sie haben weder eine Aussagekraft für die Gegenwart noch für die Zukunft.“ Schließlich sei inzwischen gesetzlich vorgeschrieben, dass Methodenbewertungsverfahren für die ambulante Versorgung nach zwei Jahren abgeschlossen sein müssen.
„Handelt es sich um neue Verfahren mit Hochrisiko-Medizinprodukten, sprechen wir sogar von sechs Monaten.“ Zwischen April 2019 und März 2020 habe der GBA über 900 Verfahren bearbeitet, sagt Marini. „Nur zwei Prozent davon konnten nicht fristgerecht abgeschlossen werden.“