Nach BGH-Urteil
Patientenverfügung besser überprüfen lassen!
Die Entscheidung des Bundesgerichthofs zu Patientenverfügungen hat bei manchem für Verwirrung gesorgt. Fest steht: Wer sicher sein will, dass im Ernstfall möglichst viel nach seinen Vorstellungen läuft, sollte seine Patientenverfügung überprüfen - und ärztlichen und juristischen Rat einholen.
Veröffentlicht:KARLSRUHE. Die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe zum Thema Patientenverfügung hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Einigkeit besteht allerdings darin, dass Bürger mit Patientenverfügung diese nun nochmals überprüfen sollten.
Unklar ist allerdings, wie viele Patientenverfügungen nachgebessert werden müssen. "Es tummelt sich zu viel davon", meint Christiane Rock, Juristin und Referentin Gesundheit bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf mit Verweis auf die unzähligen Formularvorlagen.
"Sicher und aktuell" seien die des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Nach Schätzung der Deutschen Stiftung Patientenschutz in Dortmund (früher Deutsche Hospizstiftung) haben bislang 30 Prozent der Deutschen eine Patientenverfügung abgefasst. Stiftungsvorstand Eugen Brysch begrüßte den BGH-Beschluss. "Denn schließlich geht es um Entscheidungen über Leben und Tod."
"Zweifel konstruiert, wo keine sein konnten "
Der BGH hatte verlangt, dass sich eine Patientenverfügung konkret mit bestimmten Krankheitsbildern oder mit bestimmten medizinischen Maßnahmen befasst. Allein die Ablehnung "lebensverlängernder Maßnahmen" reicht danach nicht aus, um eine künstliche Ernährung zu beenden.
Der renommierte Münchener Patientenrechtler Wolfgang Putz hatte eine der den Tod befürwortenden Töchter vertreten. Die Karlsruher Richter hätten "Zweifel konstruiert, wo man keine haben konnte", sagte Putz in einem Interview der Legal Tribune Online (LTO).
Niemand könne in einer Patientenverfügung alle denkbaren gesundheitlichen Zustände und Behandlungsmethoden abhandeln. Der Anwalt schätzt, dass nun "deutschlandweit mehrere Hunderttausend" Patientenverfügungen unzureichend sind.
Rechtliche und ärztliche Beratung
Doch gerade ein Abhandeln aller erdenklichen Fälle habe der BGH nicht verlangt, betont Verbraucherschützerin Rock. Sie rät zu einer rechtlichen und ebenso zu einer ärztlichen Beratung.
Im konkreten Karlsruher Fall gab es eine wichtige Besonderheit: In ihrer Patientenverfügung hatte sich die Patientin gegen "lebensverlängernden Maßnahmen" ausgesprochen, wenn ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt. Als sie als 70-Jährige einen Hirnschlag erlitt, sah es danach zunächst gar nicht aus. Mit ihrem Einvernehmen wurde eine Magensonde gelegt.
Erst später erlitt sie schwere epileptische Anfälle, bei denen ihr Gehirn in einer Weise Schaden nahm, dass sie sich nicht mehr selbst äußern konnte. Ihre drei Töchter stritten, ob die künstliche Ernährung nun abgebrochen werden sollte.
Dabei hatte der BGH also zu berücksichtigen, dass diese zunächst mit Zustimmung der Mutter begonnen wurde. Zudem hatte die Patientin ausgerechnet jener Tochter ihr Vertrauen geschenkt und eine Vorsorgevollmacht erteilt, die sich dann - gemeinsam mit der Ärztin - gegen eine Beendigung der künstlichen Ernährung aussprach.
Karlsruher Fingerzeig
Auch wenn wohl die meisten Menschen die künstliche Ernährung geradezu als Paradebeispiel für "lebensverlängernde Maßnahmen" verstehen, hielten es die Karlsruher Richter in dieser Situation für nicht ausgeschlossen, dass hier die Patientin diese Formulierung lediglich auf die eigentliche medizinische Behandlung bezog. Das Landgericht soll dies nun durch Zeugen klären.
Über den Einzelfall hinaus bleibt so der Karlsruher Fingerzeig, dass sich eine Patientenverfügung beispielhaft aber konkret mit bestimmten Krankheitsbildern auseinandersetzen sollte, etwa Wachkoma oder unumkehrbar tödlichem Krebs. Sie muss zudem auch zu künstlicher Ernährung, Beatmung und Wiederbelebung Stellung beziehen.
Dabei muss klar sein, ob sich der erklärte Wille auch hierauf bezieht und gegebenenfalls auch auf Nebenerkrankungen, oder nur auf die Behandlung des Grundleidens.
Starke Rolle der Vertrauensperson
Anders ausgedrückt: Menschen müssen sich überlegen und in ihrer Patientenverfügung deutlich machen, ob sie es ablehnen, dass Ärzte bei bestimmten Krankheitsbildern letztlich aussichtslos eine Behandlung fortsetzen. Gerade der Wunsch nach einem "sterben in Würde" kann sicherlich so verstanden werden.
Oder ob sie bei bestimmten Krankheitsbildern praktisch "jede Gelegenheit" nutzen wollen, eines natürlichen Todes zu sterben, etwa auch an einer Nebenerkrankung, die eigentlich mit Erfolg behandelt werden könnte.
Eine Vorsorgevollmacht sollte nicht an Bedingungen geknüpft werden und deutlich machen, ob sie auch zum Tod führende Entscheidungen umfasst. Dabei macht der Karlsruher Fall die hohe Verantwortung sowie die Belastung deutlich, die damit verbunden ist.
Die Vertrauensperson muss daher den eigenen Willen nicht nur verstanden haben, sie muss im entscheidenden Augenblick dann auch die psychische Kraft haben, diesen durchzusetzen - auch in einem gegebenenfalls jahrelangen Streit mit anderen Angehörigen. Wohl nicht immer sind die engsten Angehörigen dafür am besten geeignet.