Nachruf
Pharmakologe Gerd Glaeske mit 77 Jahren gestorben
Der Gesundheitswissenschaftler und Pharmakologe war ein streitbarer Geist und glänzender Kommunikator. Bundesgesundheitsminister Lauterbach würdigte Glaeske als „Pionier der Forschung zur Arzneimittelsicherheit“.
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Wissenschaftler und ehemaliges Mitglied des Sachverständigenrats: Professor Gerd Glaeske ist im Alter von 77 Jahren gestorben.
© Andreas Reeg
Bremen. Streitbar, kommunikativ und faktensicher war er – der Bremer Gesundheitswissenschaftler und Pharmakologe Professor Dr. Gerd Glaeske. Der Wissenschaftler ist im Alter von 77 Jahren nach langer Krankheit am 27. Mai in Bremen gestorben. Das bestätigte die Universität Bremen der Ärzte Zeitung.
„Für die Universität Bremen ist das ein großer Verlust“, sagte Professor Jutta Günther, Rektorin der Universität, dem Bremer TV-Regionalmagazin „buten un binnen“. „Die Universität ist tief traurig über den Tod von Herrn Glaeske.“ Er sei ein herausragender Wissenschaftler im Bereich der Gesundheitswissenschaften gewesen und habe es wie kein anderer verstanden, sein Wissen allgemeinverständlich in die Breite der Bevölkerung zu tragen.
Auch Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) kondolierte. Auf dem Nachrichtendienst „Twitter“ schrieb er: „Mit dem Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske stirbt ein Pionier der Forschung zur Arzneimittelsicherheit. Ich habe ihn als Persönlichkeit und Wissenschaftler geschätzt. Er hinterlässt eine große Lücke.“ Bei seiner Arbeit habe Glaeske immer „die Optimierung der Versorgungsqualität im Blick“ gehabt, sagte die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner.
Kritik an Corona-Politik der Regierung
Glaeske war 23 Jahre lang Professor für Arzneimittelversorgungsforschung am SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen.
In seiner Kritik – oft an Arzneimittelherstellern – nahm Glaeske kein Blatt vor den Mund. So kritisierte er für Patienten unverständliche Beipackzettel ebenso wie hohe Arzneimittelpreise oder zuletzt die Corona-Politik der Bundesregierung. Noch im März dieses Jahres forderte er die „umgehenden Integration der Corona-Versorgung in die medizinische Routineversorgung“.
Der Niedersachse Gerd Glaeske wurde 1945 in Stecklenburg im Harz geboren. Nach dem Pharmaziestudium in Hamburg arbeitete er sechs Jahre lang als Apotheker und promovierte im Jahr 1978. Von 1988 bis 1999 arbeitete er als Pharmaexperte bei verschiedenen Krankenkassen und trat 1999 sein Amt als Professor für Arzneimittelversorgungsforschung an der Universität Bremen an. Von 2003 bis 2011 war er Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.
Zusammenarbeit mit Krankenkassen
Acht Jahre lang (2013 bis 2021) war Glaeske zusammen mit der Techniker Kasse Mitherausgeber des Innovationsreports. „Es kommen zu wenig Arzneimittel auf den Markt, von denen Patientinnen und Patienten wirklich profitieren“, resümierte Glaeske anlässlich des letzten Reports 2021, „dennoch werden die von uns als nicht innovativ bewerteten Medikamente verordnet.“
Bis 2015 gab er zusammen mit der Barmer Ersatzkasse den „Arzneimittelreport“ heraus und arbeitete beim Nachschlagewerk „Bittere Pillen“ mit. Ab 2017 leitete er bis 2022 das Institut „Länger besser leben“ der Universität Bremen und der BKK24, das sich der Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens im Alltag widmet.
Kein Wunder, dass Glaeske mit seiner Haltung eine Menge Auseinandersetzungen mit Arzneimittelherstellern zu führen hatte. Er habe an die 40 Prozesse durchstehen müssen, sagte er einmal zu „buten un binnen“.
Glaeske war ein glänzender Kommunikator und gern gesehener Interviewpartner der Presse, denn er wusste sich zu den Themen der medizinischen Versorgung griffig auszudrücken. Gute Ärzte seien für ihn „Menschen, die mir zuhören und mit mir sprechen können, die mir meine Präferenzen lassen, die ihre Erfahrungen mit Erkenntnissen aus der evidenzbasierten Medizin verbinden“, sagte Glaeske einmal in einem Interview mit einer Innungskrankenkasse, „und die bei Hufgetrappel nicht an Zebras, sondern erstmal an Pferde denken.“