Pflegekammer Schleswig-Holstein
Politik geht auf Distanz
Pflegeberufekammer will mit Politik neu verhandeln. Das Kieler Sozialministerium als Rechtsaufsicht winkt allerdings ab.
Veröffentlicht:Nortorf. Wie geht es weiter mit der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein? Diese Frage bleibt auch nach einer außerordentlichen Sitzung der Kammerversammlung in Nortorf bei Rendsburg weitgehend offen.
Klar ist: Der Vorstand soll sich im Dialog mit der Politik weiter um eine Lösung bemühen, die eine Anschubfinanzierung unter Wahrung der Selbstverwaltungsrechte der Pflegeberufekammer ermöglicht.
Klar ist aber auch: Kritiker und Gegner einer Pflichtmitgliedschaft und von Pflichtgebühren beharren auf ihren Positionen.
Die vom Kieler Landtag beschlossene erweiterte Anschubfinanzierung in Höhe von drei Millionen Euro, die an eine Aussetzung der Mitgliedsbeiträge und an eine neue Abstimmung der Mitglieder über die Kammer geknüpft ist, hält die Kammerversammlung für nicht rechtskonform.
Deshalb soll der Vorstand zu diesen Fragen erneut mit der Politik verhandeln, beschloss die Kammerversammlung. Das Kieler Sozialministerium als Rechtsaufsicht konterte allerdings umgehend: Der Beschluss des Landtages sei „eindeutig rechtskonform“, hieß es aus Kiel.
Pflegekräfte moderat interessiert
Für die Pflegeberufekammer wird die Lage damit zunehmend unübersichtlich. Auf der einen Seite genoss die Kammer zur Gründung politische Rückendeckung, haben sich seit Gründung in 2018 mehr als 27.000 Mitglieder registrieren lassen und hat der erste gewählte Kammervorstand die Interessen der Pflegekräfte in der gesundheitspolitischen Landschaft im Norden vertreten.
Auf der anderen Seite hatten sich die Pflegekräfte an der ersten Abstimmung über die Errichtung einer Kammer nur moderat interessiert gezeigt und die Entscheidung fiel wie berichtet denkbar knapp für die Gründung aus.
Die Kritik aus Reihen der Gewerkschaft Verdi und der Arbeitgeber riss nie ab, die Rufe nach einer Abschaffung der Kammer wurden zuletzt deutlich lauter. Kammergegner erhielten Oberwasser, als die Mitglieder erstmals mit den Pflichtbeiträgen konfrontiert wurden.
Politik geht zunehmend auf Distanz
Beeindruckt von der Kritik zeigt sich auch die Politik, die jetzt zunehmend auf Distanz geht. Dennys Bornhöft, FDP-Gesundheitsexperte im Kieler Landtag, sagte der „Ärzte Zeitung“: „Momentan ist das Agieren der Kammer gegenüber ihren Mitgliedern keine werbende Maßnahme, den Beruf zu ergreifen.“
Er befürchtet, dass sich junge Pflegekräfte aus den Randregionen des Flächenlandes lieber Arbeit in Hamburg oder Dänemark suchen, bevor sie in Schleswig-Holstein Pflichtbeiträge in eine Kammer entrichten, deren Sinn sich ihnen nicht erschließt. Bornhöft hält die vom Landtag geforderte Vollbefragung der Pflegekräfte für „extrem wichtig“.
Zahlreiche offene Fragen
Die Kammer dagegen sieht zahlreiche offene Fragen, die sie mit Politik und Ministerium klären möchte, etwa: Muss die Kammer als autonome Selbstverwaltung Eingriffe in schon beschlossene Stellenpläne zulassen? Oder: Was würde im Falle einer Abstimmung der Mitglieder gegen eine Selbstverwaltung folgen?
Frank Vilsmeier, Vizepräsident der Pflegeberufekammer, gab zu bedenken: „Die Politik hat entschieden, eine gesamtgesellschaftlich wirksame Kammer zu errichten, um die pflegerische Versorgung aller Menschen in Schleswig-Holstein sicherzustellen. Das kann nicht durch einen einseitigen Beschluss gekippt werden.“