Gute Nachrichten des Jahres 2024
Positiver Jahresrückblick: Lauterbachs Krankenhaus-Operation
Karl Lauterbach hatte eine „Revolution“ in der Krankenhauslandschaft versprochen. Daraus ist nichts geworden. Das Klinikgesetz, das in Kürze in Kraft tritt, zählt dennoch zu den guten Nachrichten des Jahres 2024.
Veröffentlicht:Berlin. Der Minister meldete sich natürlich auch per Nachrichtendienst „X“ zu Wort: Die Reform der Krankenhäuser, erklärte Karl Lauterbach (SPD) dort einen Tag nach Billigung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) im Bundesrat am 22. November, habe zwei Jahre gedauert.
Die Umsetzung der Reform brauche zehn Jahre und koste 80 Milliarden Euro . „Es zeigt sich“, so Lauterbach, „der demokratische Streit ist zwar heftig, aber es funktioniert.“
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Ob die Reform funktioniert, bleibt freilich abzuwarten. Kritiker wie der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, fordern bereits einen „Neustart in der Krankenhauspolitik“ nach der Bundestagswahl.
Eine neue Regierung habe schnell Entscheidungen zu treffen, um die Klinikstandorte zu erhalten, die für die Versorgung dringend gebraucht würden, mahnt Gaß. Die anderen Standorte benötigten „Zeit“, um alternative Konzepte zu entwickeln.
Keine Zeit mehr – und kein Geld
Diese Zeit, vor allem das Geld und das Personal haben die Krankenhäuser aber nicht. Zur Erinnerung: Die GKV-Ausgaben für den stationären Sektor haben die 100-Milliarden-Euro-Marke geknackt. Genügend Ärzte und Pflegefachkräfte für rund 1700 Krankenhausstandorte gibt es nicht.
Und den medizinischen Bedarf für so viele Kliniken gibt es auch nicht. Zuletzt waren die Betten zu 60 bis 80 Prozent belegt. Der Rest stand leer. Das Ambulantisierungspotenzial beziffern Gesundheitsökonomen auf 20 Prozent.
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Der Klinikumbau muss also kommen. Auch eine neue Bundesregierung wird nicht hinter Lauterbachs Krankenhausgesetz zurückkönnen. Das Gerüst für die Sanierung steht. Viele der Ziele der Reform sind ganz im Sinne von Patienten und Ärzten.
Bessere Qualität durch mehr Spezialisierung
So sieht das Gesetz vor, dass sich die Krankenhäuser stärker spezialisieren: Schon Lauterbachs Vorgänger im Amt, Jens Spahn (CDU), hatte mehr Spezialisierung gefordert und betont, für einen komplexen, aber erfolgreichen Eingriff würden die Menschen auch ein paar Kilometer weiter fahren. Passiert ist wenig.
Das Prinzip der (zunächst) 65 Leistungsgruppen, die nun kommen und die mit bundeseinheitlichen Qualitätskriterien hinterlegt sind, besagt: Leistungen werden nur noch in den Häusern erbracht, die über das dafür qualifizierte Personal, eine angemessene apparative Ausstattung sowie erforderliche Fachdisziplinen zur Vor-, Mit- und Nachbehandlung verfügen. Nicht mehr alle sollen alles machen.
Anders als mancher Kritiker meint, profitieren von der Reform auch ländliche Regionen. Dort stehen Patienten oft vor dem Problem, keine Fachärztin und keinen Facharzt zu finden. Sie müssen weite Wege fahren, um Spezialuntersuchungen zu bekommen.
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In Gebieten, in denen Facharztsitze unbesetzt sind, sollen deshalb sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen – Level 1i-Krankenhäuser – und Sicherstellungskrankenhäuser gebietsärztliche Leistungen anbieten können. Und: Die Einrichtungen können dort, wo Hausärztinnen und Hausärzte fehlen, auch allgemeinmedizinische Behandlungen anbieten. Die Klinik wird wie eine Praxis bezahlt.
Die Ambulanzen stoßen bei Verbänden der Niedergelassenen auf Ablehnung. Dass Haus- und Fachärzten die Arbeit dadurch ausgeht, ist aber unwahrscheinlich. Strengen Regeln unterliegen die möglichen Angebote auch. Adressiert sind nur KV-Regionen, in denen Kassensitze unbesetzt sind.
Für die Krankenhäuser und die dortigen Ärztinnen und Ärzte wiederum soll mit der Reform der ökonomische Druck nachlassen: Mittels Vorhaltevergütung sollen bedarfsnotwendige Häuser, deren Leistungen bislang fast ausschließlich über Fallpauschalen vergütet wurden, künftig zu einem „relevanten Anteil“ – sprich zu 60 Prozent – finanziell abgesichert sein.
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Freilich: Die Vorhaltepauschalen fließen je Leistungsgruppe – und für diese gelten außer Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität auch Fallzahlvorgaben. Ob diese den Druck der Kliniken, erneut in die Menge zu gehen, erhöhen, ist genau zu beobachten. Passiert das, wäre wenig gewonnen mit der neuen Finanzierung.
Ärzte- und Klinikverbände, Länder und Kommunen, eigentlich alle haben unisono betont, dass es den Umbau der Krankenhauslandschaft zwingend braucht. Dieser Umbau kommt jetzt – zehn, 20 Jahre zu spät. Aber er kommt. Und das ist eine gute Nachricht. (hom)