Pressestimmen zum gescheiterten Systemausstieg der bayerischen Hausärzte

Der geplante Systemausstieg des Bayerischen Hausärzteverbands, das Scheitern dieser Pläne und der Rücktritt Wolfgang Hoppenthallers hat ein breites Medienecho ausgelöst. Lesen Sie hier die Kommentare einiger Publikumsmedien.

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Der Ausstieg ist abgeblasen, Hoppenthaller ist gegangen, die Hausärzte arbeiten wieder in ihren Praxen - zurück zur Tagesordnung? Wohl kaum. Wenn 40 Prozent der Hausärzte lieber eine ungewisse Zukunft in Kauf nehmen als weiter in diesem Gesundheitssystem zu arbeiten, müssen bei Politik und Kassen Alarmglocken schrillen. Denn die Mediziner, die in Nürnberg ihre Zulassungen zurückgeben wollten, sind keine Revoluzzer und Hasardeure. In ihrer Kritik an Überreglementierung und Intransparenz steckt viel Wahres, weshalb Politik und Kassen jetzt nicht in allzu lautes Triumphgeheul ausbrechen sollten.

Süddeutsche Zeitung: Spartakus des Doktorenstandes

Auf den Rausch folgt der Kater. Das Aufwachen nach der gescheiterten Revolte muss für die bayerischen Hausärzte sehr schmerzhaft sein. Durch ihr "Nein" zur kollektiven Rückgabe der Kassenlizenz ist ihnen jetzt auch der Vorsitzende abhanden gekommen. (...) Zu viel Schaden hat dieser Spartakus des Doktorenstandes bei diesem letzten Versuch angerichtet. Die bayerischen Hausärzte werden spätestens im nächsten Quartal erkennen, dass sie der Kampf ihres Vorsitzenden sehr viel Geld kosten wird. Ein neuer Hausarztvertrag wird deutlich schlechter honoriert sein als der alte.

Frankfurter Allgemeine: Drohung war leeres Geschwätz

Der bayerische Hausärztelöwe konnte zwar brüllen, aber beißen konnte er nicht. Seine Drohung mit dem kollektiven Umstieg aus dem Kassen- in das Privatarztsystem war leeres Geschwätz. Der Rückritt von allen politischen Ämtern war die notwendige Folge. (...) Bayerns Hausärzte sollten sich auf selbst verschuldete Einbußen einstellen. Immerhin hat das Getöse um den Vertrag auch eine gute Seite. Es macht klar, dass es falsch ist, nur einen Interessenverband zum Kassen-Verhandlungspartner zu bestellen. Der Fehler wurde in der großen Koalition gemacht. Aber Schwarz-Gelb hat ihn nicht korrigiert.

Main Post: Jetzt keine neuen Daumenschrauben!

Ärzte wie Krankenkassen sollten die besinnlichen Weihnachtstage nutzen, um die in den letzten Wochen gefährlich vertieften Gräben wieder zuzuschütten. Der Hausärzteverband wäre dabei gut beraten, den Plan, doch noch eine Mehrheit für einen Ausstieg zu finden, endgültig aufgeben. Und die Kassen sollten ihre Genugtuung über die Niederlage von Hoppenthaller nicht an allen Hausärzten auslassen und die Tür für neue, auch für die Mediziner akzeptable Hausarztverträge öffnen. Statt neue Daumenschrauben auszupacken, könnten direkte Gespräche nichts schaden. Im Sinne der Patienten wäre dies allemal.

Mittelbayerische: Söder - eine ganz besondere Zierde seiner Zunft

Markus Söder ist schon eine ganz besondere Zierde seiner Zunft. (...) Da taucht er angesichts der Auseinandersetzung zwischen AOK und Hausärzten seit Tagen weitgehend unter, um einen Tag nach der Abstimmung der Mediziner ein Fähnchen aus seinem Mäuseloch zu halten. Was Söder wohl getan hätte, wenn der oberste bayerische Standesvertreter das Votum gewonnen hätte? Wahrscheinlich hätte er Dr. Hoppenthaller zu seinem persönlichen Freund erklärt, die völlig grundlose Kündigung des Hausärztevertrages durch die "Gesundheitskasse" angeprangert und die "Gutsherrenart" der AOK scharf verurteilt.

Stuttgarter Zeitung: Niemand weiß, ob es eine Neuauflage des Aufstands gibt

War die Rebellion also nur ein bayerischer Sonderfall? Die Antwort lautet: Jein.

Spätestens 2014 werden alle Krankenkassen die Karten auf den Tisch legen müssen: Dann, so hat es Schwarz-Gelb beschlossen, dürfen Kassen Hausärzten höhere Vergütungen nur zahlen, wenn dies an anderer Stelle finanziell ausgeglichen wird. Jeder Kasse, der dies nicht gelingt, stehen in diesem Fall massive Honorarkonflikte mit den Hausärzten bevor.

Niemand weiß, ob eine Neuauflage des Aufstands der Bayern nicht doch zum "Systemausstieg" führt.

Neue Westfälische: Das Hauptproblem war Maßlosigkeit

Man kann ja verstehen, dass die Hausärzte - und nicht nur sie - sich am Kassenarztsystem abarbeiten. Das was die bayerischen Hausärzte unter ihrem radikalen Anführer, dem notorischen Verbandsfunktionär Wolfgang Hoppenthaller, gezeigt haben, war indes nicht geeignet, Sympathie zu erzeugen. Es ging ihnen nämlich - wenn überhaupt - höchstens nachrangig um eine bessere Versorgung ihrer Patienten.

In erster Linie ging es ihnen um mehr Geld für bayerische Hausärzte, selbst auf Kosten der eigenen Kollegen. Ihr Hauptproblem war Maßlosigkeit.

Nordbayerischer Kurier: Mit dem Scheitern sind die Probleme nicht vom Tisch

Die Verantwortung für die Pleite trägt nach den von ihm geweckten hohen Erwartungen Hoppenthaller selbst.

Die Patienten, die die Leidtragenden einer massenhaften Hausärzteverweigerung gewesen wären, können aufatmen - vorerst. Denn mit dem Scheitern des Verbandes sind die Probleme nicht vom Tisch.

Viele Hausärzte sind überlastet, auf dem Land droht bald Mangel. Darunter haben dann alle zu leiden: Ärzte und Patienten.

Lesen Sie dazu auch: Ausstieg scheitert, Hoppenthaller geht - wie geht es jetzt weiter in Bayern? Hausärzte zwischen Euphorie und grenzenloser Enttäuschung

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