Qualitätsorientierte Klinik-Vergütung
Qualitäts-Messwerte verzweifelt gesucht
Politische Entscheidungen laden meist zum Streiten ein. Manche allerdings sind von solcher Allgemeingültigkeit, dass ihnen kaum widersprochen werden kann. So etwa der Plan, die Qualität in Kliniken zu verbessern. Doch der Teufel steckt im Detail.
Veröffentlicht:BERLIN. Mehr Qualität in Kliniken, Vergütung nach Qualität. Wer sollte gegen solch hehre Ziele etwas einwenden? Doch die entscheidende Frage ist: Wie kann die Qualität verbessert werden, und um welche Art von Qualität geht es ganz genau?
Leicht messbar wären beispielsweise Maßnahmen, mit denen die Hygiene in Krankenhäusern verbessert werden kann. Durch Fachpersonal, Desinfektionsspender an jedem Krankenzimmer, ausreichendes Reinigungspersonal und anderes mehr. Hier ist durch die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes 2011 bereits viel in Gang gekommen.
Weniger Fehler, an deren Folgen Patienten, aber auch Ärzte und Pflegepersonal leiden, passieren sicher dort, wo genügend Personal ist, um auch bei Engpässen noch umsichtig arbeiten zu können.
Wo eine offene und respektvolle Kommunikation herrscht, die es Mitarbeitern leicht macht, Fehler zu besprechen, damit sie sich nicht wiederholen.
Doch wie schwierig es ist, rechtssichere Qualitätsindikatoren zu finden, die auch noch wie vorgesehen ein finanzielles Zu- und Abschlagssystem rechtfertigen, zeigt sich immer deutlicher. In der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag bezieht sich die Bundesregierung immer wieder auf den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) und das neue Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG).
Mit dem Krankenhausstrukturgesetz werde kein flächendeckendes Pay-for-Performance-Modell eingeführt. Der GBA erhalte die Aufgabe, einen Katalog von Leistungen und Leistungsbereichen, die sich für eine qualitätsabhängige Vergütung eignen, festzulegen.
"Die Entscheidung, ob und wie viele Leistungen oder Leistungsbereiche in das System von Qualitätszu- und -abschlägen einbezogen werden, trifft der GBA ... auf der Grundlage der ... Empfehlungen des IQTiG", schreibt die Bundesregierung. Es sei also eine umsichtige und schrittweise Einführung vorgesehen.
Fünf Kriterien für Indikatoren
So kann man das sehen, es klingt allerdings eher nach großer Ratlosigkeit. Der GBA muss präzisieren, was sich Gesundheitspolitiker ausgedacht haben. Klinikqualität zu steigern klingt nach Patientenschutz. Das kommt immer gut an. Um den Realitätscheck müssen sich andere - GBA und IQTiG - kümmern.
Wie komplex das Vorhaben wird, skizzierte Dr. Regina Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied im GBA. So müssen die gesuchten Qualitätsindikatoren fünf Kriterien erfüllen, um rechtssicher zu sein. Sie müssen valide, verlässlich, verhältnismäßig, verbindlich und zuschreibbar sein.
Die Ergebnisse der Analyse von Indikatoren müssten eindeutig dem einzelnen Leistungserbringer zugeordnet werden können. Das werde noch ein großes Problem.
Eine andere Gefahr sieht die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffen (Grüne). "Wenn man einem Krankenhaus Zeit lässt, Qualitätsziele zu erreichen, halte ich es nicht für richtig, es trotz schlechter Qualität mit Abschlägen weitermachen zu lassen", sagte sie bei den Petersberger Gesprächen.
Sie könne als Ministerin niemandem erklären, warum sie ein solches Haus nicht schließe. Es ist ohnehin ein Rätsel, wie eine Klinik ihre Qualität verbessern soll, wenn ihr gleichzeitig Geld gekürzt wird.
Dass gut gedacht nicht immer auf gut gemacht hinausläuft, zeigen Erfahrungen mit Qualitätsabschlägen in den USA. Nach einem von Barack Obama eingeführten Programm erhalten Krankenhäuser weniger Geld über die staatlichen Programme Medicare und Medicaid, wenn sie in bestimmten Kategorien schlecht abschneiden.
Das Ergebnis: Vergütungsabschläge mussten vor allem die Kliniken hinnehmen, die aufwendige Leistungen anbieten, komplexe Krankheiten behandeln, qualitätsakkreditiert sind und auch lehren (JAMA 2015; 314 (4): 375-383).
Falsche Qualitätspolitik führt zu Risikoselektion
Die Risikoadjustierung wird damit zu einer zentralen Herausforderung einer fairen Qualitätsmessung und -berichterstattung. Gelingt es nicht, diese Hürde zu nehmen, dann führt - vermeintliche - Qualitätssicherung zur Risikoselektion.
Jeder, der in eine Klinik geht, hat einen Anspruch auf die bestmögliche medizinische und pflegerische Versorgung. Er sollte sich darauf verlassen können, dass Ärzte und Pfleger gut ausgebildet sind, Hygienestandards in höchster Qualität eingehalten werden, das Personal unter vernünftigen Bedingungen arbeiten kann.
All das fördert die Qualität und ist anhand leicht zugänglicher Daten messbar. Auch Mindestmengen, Zentrenbildung und Zweitmeinungsverfahren können die Behandlungsqualität sicher deutlich steigern.
Ob es hochkomplizierte Messinstrumente braucht, von denen selbst Fachleute bislang keine Vorstellung haben, wie sie funktionieren sollen, bleibt dagegen fraglich.