Schmerzversorgung

Regierung will keinen Aktionsplan Schmerz

Die Bundesregierung sieht Deutschland bei der Schmerzversorgung gut aufgestellt. Ein Aktionsplan sei nicht geplant. Und auch von einem anderen Vorschlag hält man wenig, wie aus einer Antwort auf eine FDP-Anfrage hervorgeht.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
In Deutschland leiden etwa 4,4 Millionen Menschen an langanhaltenden Schmerzen. Für die FDP ein wichtiges Indiz, dass die Regierung das Thema Schmerz mit einem ressortübergreifenden Aktionsplan angehen sollte.

In Deutschland leiden etwa 4,4 Millionen Menschen an langanhaltenden Schmerzen. Für die FDP ein wichtiges Indiz, dass die Regierung das Thema Schmerz mit einem ressortübergreifenden Aktionsplan angehen sollte.

© Andrey Popov/stock.adobe.com

Berlin. Die Bundesregierung lehnt die Einführung einer spezialisierten ambulanten Schmerzversorgung – vergleichbar der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) für Schwersterkrankte – ab.

Bei der SAPV handele es sich um eine Komplexleistung. Ärzte und Pflegekräfte verfolgten dabei das Ziel, Symptome und Leiden von in der Regel austherapierten Patienten „einzelfallgerecht zu lindern“, schreibt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Sabine Weiss (CDU), auf eine Anfrage der FDP-Fraktion.

BMG: Übertragbarkeit unmöglich

„Aufgrund der besonderen, auf individuelle Bedürfnisse und Bedarfe ausgerichteten palliativen Zielsetzung ist eine Übertragbarkeit auf kurative Einzeltherapien nicht gegeben“, heißt es in der der „Ärzte Zeitung“ vorliegenden Antwort der Gesundheits-Staatssekretärin.

Zudem sehe der EBM bereits Zuschläge sowohl für schmerztherapeutische Einrichtungen wie auch für die Teilnahme an schmerztherapeutischen Fallkonferenzen vor, schreibt Weiss. Dasselbe gelte für die Beratung und Abklärung schmerztherapeutischer Fragen. Bundesweit verfügten – Stand Ende 2018 – knapp 1270 Ärzte über eine Genehmigung zur Abrechnung entsprechender Leistungen.

„Unspezifisches Symptom“

Mit Blick auf einen nationalen Aktionsplan zur chronischen Schmerzversorgung senkt die Bundesregierung ebenfalls den Daumen. Schmerz sei ein „allgemeines, unspezifisches Symptom“, das bei vielen Krankheiten auftrete, heißt es in der Antwort auf die entsprechende FDP-Frage.

Als „Querschnittsthema“ fordere Schmerz alle Fachrichtungen. Im Übrigen nehme die schmerztherapeutische Versorgung in Deutschland „eine sichtbare und wichtige Stellung sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor ein“, zeigt sich die Regierung überzeugt.

Beleg dafür seien auch 31 über den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderte Projekte, die alle Bezug zum Thema Schmerz aufwiesen.

FDP: Beleg der Ahnungslosigkeit

Der Obmann der FDP-Fraktion im Bundestags-Gesundheitsausschuss, Professor Andrew Ullmann, warf der Regierung Ahnungslosigkeit vor. „Wenn gesagt wird, dass Schmerzen überall auftreten und deswegen nichts unternommen werden muss, ist das lachhaft“, sagte Ullmann der „Ärzte Zeitung“ am Montag.

Es gehe hier nicht um „Schmerzen durch ein aufgekratztes Knie auf dem Bolzplatz, sondern um chronische Schmerzen wie Rückenschmerzen“, so Ullmann. Das Thema sei „ernst“ und sei in einem nationalen, ressortübergreifenden Aktionsplan anzugehen.

AU-Tage: Rückenschmerz mit Spitzenplatz

In Deutschland litten aktuell etwa 4,4 Millionen Menschen an langanhaltenden Schmerzen, so Ullmann. Das führe neben persönlichen auch zu wirtschaftlichen Schäden. Schmerzen nähmen einen Spitzenplatz bei AU-Tagen und Neuzugängen bei der Erwerbsunfähigkeit ein.

Umso schwerer wiege, dass die Bundesregierung keine Aussage dazu treffen könne, welche Kosten die mangelnde Versorgung von Patienten mit chronifizierten Schmerzen nach sich ziehe, sagte Ullmann. Gesundheitsreports von Krankenkassen wie auch Recherchen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags belegten aber, dass chronische Schmerzen, vor allem Rückenschmerzen, oft Ursache für Arbeitsunfähigkeit seien.

Die DAK-Gesundheit rechnete zuletzt vor, dass Rückenleiden die zweithäufigste Einzeldiagnose für Krankschreibungen sind. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen sei es allein im Jahr 2017 zu rund 35 Millionen Ausfalltagen im Job gekommen.

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Kommentare
Dr. Birgit Bauer 21.07.202014:34 Uhr

Ich kann Prof. Ullmann nur Recht geben, die Ahnungsosigkeit unseres Gesundheitsministerium in Punkto chronischer Schmerz ist offensichtlich grenzenlos. Schon die Unterscheidung Akutschmerz und chronischer Schmerz und die unterschiedlich-notwendigen therapeutischen Maßnahmen sind in einigen Fachrichtungen offensichtlich nach wie vor unbekannt. Wie lässt sich sonst erklären, dass regelmäßig Patienten in meine Praxis kommen , die seit 8 Jahren und vielmals auch länger durch das System gereicht werden, mit Diagnostik und teils fragwürdigen Operationen "überhäuft "werden und trotzdem keine Linderung erfahren. Aber wir haben ja eine Gesundheitswirtschaft und da werden Patienten gebraucht , mit gesunden Personen kann kein Geld verdient werden.
Was in unserem Gesundheits"un"wesen fehlt, ist der empathische Patientenbezug. Die Ökonomisierung der letzten Jahrzehnte hat hier viel zerstört. Richtig ist, das wir in Deutschland hervorragende medizinische Behandlungsmöglichkeiten haben und der Zugang der Bevölkerung im Ländervergleich auch sehr gut ist, aber die völlig hyperthrophen Verwaltungsstrukturen und die störanfällige aber zwangsverordnete IT machen den direkt am und mit dem Patienten arbeitendem Kollegen den Alltag schwer.

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