Gesundheitskongress des Westens
Reinhardt: Gesundheit siegt erstmals wieder über Ökonomie
Die Corona-Pandemie hat nach Ansicht des BÄK-Chefs erstmals seit 70 Jahren wieder dafür gesorgt, dass gesundheitliche vor wirtschaftlichen Interessen stehen.
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BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt (v.l.) diskutierte beim „Gesundheitskongress des Westens“ unter anderem mit Gloria Seibert, Gründerin der Temedica GmbH, und Gesundheitsökonom Prof. Dr. Wolfgang Greiner über die Chancen der Pandemie.
© WISO / Schmidt-Dominé
Köln. Die Pandemie als Chance für Veränderung? „Bei Corona ist es das erste Mal, dass die Wirtschaft im Sinne der Gesundheit zurückstecken musste“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Klaus Reinhardt, bei der Eröffnung des „Gesundheitskongresses des Westens 2020“ in Köln.
Für Reinhardt eine bemerkenswerte Erfahrung. Denn in den letzten 70 Jahren habe bei Entscheidungen zwischen Wirtschaftlichkeit und Gesundheit fast immer das wirtschaftliche Interesse gesiegt, so der BÄK-Präsident weiter. Die Herausforderung liegt für ihn jetzt darin, in der Zukunft beide Interessen miteinander zu verbinden.
Sie müssen nicht im Widerspruch stehen, bestätigte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß. „Corona hat gezeigt, dass wir wirtschaftlich profitieren können, wenn wir ein leistungsfähiges Gesundheitswesen haben.“
Investitionen in Strukturen dringend nötig
Die Krise habe aber auch deutlich gemacht, wie sehr die Infrastruktur in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurde, so Gaß. Zusätzliche Finanzmittel sind nach seiner Ansicht nicht nur wichtig für die Modernisierung der Strukturen, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Attraktivität der Gesundheitsberufe. „Das Gesundheitswesen hat in den letzten Monaten an Reputation gewonnen“, sagte Gaß. Bei den Kliniken schlage sich das in einem deutlich stärkeren Interesse an einer Ausbildung nieder.
Indes kündigte Nordrhein-Westfalens Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) an, dass NRW für die Zeit nach den Herbstferien eine neue Corona-Teststrategie entwickeln will. Mit dem bisherigen Regime sei das Land an die Grenze dessen gekommen, was geleistet werden kann.
NRW passt Corona-Teststrategie an
Anlassunabhängige Tests werden in der Strategie offensichtlich keine große Rolle spielen. „Aus gesundheitspolitischen Gründen macht anlassloses Testen keinen Sinn“, betonte Laumann. In NRW können sich Lehrer und Erzieher bis zu den Herbstferien alle zwei Wochen kostenlos testen lassen. Bislang haben das 14 Prozent in Anspruch genommen. Nur 0,2 Prozent der Tests seien positiv gewesen. „Der Süden zeigt, wie es läuft, wenn man testet, testet, testet“, kommentierte er die Pannen in Bayern. Insgesamt hat sich der Föderalismus während der Pandemie bewährt, findet der Minister. Die hohen Infektionszahlen im stark zentralistisch geprägten Nachbarland Frankreich zeigten den Vorteil von Entscheidungen, bei denen die Politiker vor Ort die Verantwortung übernehmen. Laumann lobte die Arbeit vieler Krisenstäbe in den Regionen. Dort sei von sektorbezogenem Handeln nicht viel zu spüren gewesen. „Wir sollten dafür sorgen, dass wir uns das auch nach der Pandemie erhalten.“