SARS-CoV-2
Riss in saarländischer Ärzteschaft
Ein KV-Fax bringt viele Ärzte im Saarland auf die Palme. KV-Vize Meiser droht darin disziplinarische Maßnahmen an, wenn Ärzte Hausbesuche verweigern. Wegen der Beschimpfungen stellte die KV zeitweise ihr Service-Center-Telefon ab.
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Die saarländische KV zieht die Notbremse und schaltet ihre Telefonleitung für anrufende Praxen ab.
© Michael Kuderna
Saarbrücken. Bei den saarländischen Ärzten liegen die Nerven blank: Ein Fax des stellvertretenden KV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Joachim Meiser mit Drohungen bei Verweigerung von Hausbesuchen in Pflegeheimen löste derart rüde Reaktionen aus, dass die KV ihr Service-Center zeitweise geschlossen hat und damit auch nicht mehr telefonisch erreichbar war.
„Wir sind heute schon genug beschimpft worden“ – mit dieser ungewöhnlichen Bandansage wurden am Donnerstagnachmittag alle Anrufer bei der KV Saarland begrüßt. Dann wurde ihnen noch mitgeteilt, dass das Service-Center für den Rest des Tages geschlossen sei. Da die KV keine direkten Durchwahlen herausgibt, war damit keine unmittelbare Kommunikation mehr möglich.
Auf der Webseite wurden die Gründe für die drastische Maßnahme etwas ausführlicher dargestellt, aber ebenfalls ohne Erwähnung des aktuellen Anlasses. „Seit Tagen steigt die Zahl der Anrufe mit aggressiven und beleidigenden Inhalten. Heute Vormittag ist die Situation so eskaliert, dass wir die Leitungen abgeschaltet haben, um die Mitarbeitenden des Service-Centers zu schützen“ – so die Begründung im Internet.
Versorgungsproblem in Pflegeheimen
Anlass für die Eskalation war ein Fax von Vize Meiser an alle KV-Mitglieder, um „vermeidbare stationäre Aufenthalte“ zu verhindern. In dem Fax schilderte Meiser zunächst die Überlastungssituation beim Rettungsdienst, der innerhalb von 24 Stunden 75 Patienten mit COVID-Symptomatik habe versorgen müssen, davon zehn aus Alten- oder Pflegeeinrichtungen zum Teil in schwerkrankem Zustand – und das mit schnell steigender Tendenz.
Deshalb solle rechtzeitig das Vorliegen von Patientenverfügungen überprüft und diese gegebenenfalls auch aktualisiert werden. Die Palliativversorgung müsse jedoch gewährleistet sein. Die KV ihrerseits werde eine konsiliarische Unterstützung für Schmerztherapie organisieren.
Verweigerung von Hausbesuchen unakzeptabel
Dann erst folgt in dem Schreiben der Passus, der offenbar einige Ärzte verbittert hat. Unter dem Stichwort „Hausbesuche“ stellt Meiser dort klar, die Ablehnung der Versorgung von Patienten, die sich in regelhafter Behandlung befinden, sei unakzeptabel, wenn diese etwa mit mangelnder Schutzkleidung, vorliegendem Fieber oder Angst vor Ansteckung begründet werde. Schutzkleidung könne bei der KV bezogen werden. Und dann folgt der Satz, der für besondere Empörung gesorgt hat: „Aus unserer Sicht liegt hier ein schwerwiegender Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten vor und wir werden dies disziplinarrechtlich verfolgen.“
Manche Adressaten empfanden dies schlicht als „Frechheit“. Ausgerechnet diejenigen, die nicht rechtzeitig ausreichende Vorräte an Schutzausrüstung angelegt hätten und auch selbst nicht ungeschützt Patienten behandeln müssten, drohten den Ärzten an der Front, heißt es beispielsweise in einer E-Mail an die Presse.
KV-Chef widerspricht
Der KV-Vorsitzende Dr. Gunter Hauptmann widerspricht diesen Vorwürfen entschieden. Zum einen sei die Beschaffung von Schutzkleidung eigentlich gar nicht Aufgabe der KV, auch wenn sie mit großem Engagement eingesprungen sei. Inzwischen seien auch die meisten Anforderungen der Praxen erfüllt worden.
Zum anderen berichtet er der „Ärzte Zeitung“ von Fällen, in denen Patienten in Heimen im Stich gelassen wurden. So habe beispielsweise ein einzelner Arzt ohne Augenschein fünf Patienten stationär eingewiesen, um sie nicht besuchen zu müssen. In einem anderen Fall seien die Hausbesuche bei einer Querschnittsgelähmten ohne Corona-Symptomatik eingestellt worden.
Weiter sagte Hauptmann, er habe noch nie derart wüste Beschimpfungen erlebt wie in letzter Zeit. In der Vorwoche vorher seien sie noch überwiegend von Patienten gekommen, hätten sich dann aber auf Kollegen verlagert. Schließlich habe er seine Mitarbeiter schützen und ein Zeichen setzen wollen, dass ihnen nicht alles zuzumuten sei.