Notfall-Reform
Sachverständiger warnt vor "sektoregoistischen Schützengräben"
Aus der Kritik an Spahns geplanter Notfall-Reform hört der oberste Gesundheitsweise vor allem Sektoregoismen heraus. Der Hartmannbund rät unterdessen zur Besonnenheit und der Marburger Bund äußert Zweifel an den INZ.
Veröffentlicht:BERLIN. Gesundheitsminister Jens Spahns Äußerungen zur bevorstehenden Reform der Notfallversorgung haben Eindruck hinterlassen. „Wer die aktuellen Einlassungen des Gesundheitsministers verfolgt, dem muss bewusst sein, dass der Gestaltungsspielraum der Selbstverwaltung begrenzt ist“, warnt der Hartmannbund. Darauf zu hoffen, ohne Kompromiss vom Platz gehen zu können, könnte sich als verhängnisvoller Trugschluss erweisen, heißt es in einer Erklärung des Hartmannbund-Vorstandes von Dienstag,
Spahn hatte am Montag angedeutet, dass er es nicht hinnehmen werde, wenn die Selbstverwaltung ihre Interessensgegensätze an dieser Stelle nicht überwinde. Dann werde es zu einer politischen Entscheidung kommen. Spahns Pläne waren am Montag auf Zustimmung, zum Teil aber auch auf harsche Kritik aus der Selbstverwaltung gestoßen.
Sektoregoistische Schützengraben
Darauf wiederum hat am Dienstag der Sachverständigenrat Gesundheit reagiert. „Enttäuschend sind die ersten Reaktionen der unmittelbar Betroffenen, die teilweise klingen, als wären sie in traditionellen sektoregoistischen Schützengräben formuliert worden“, sagte Ratsvorsitzender Professor Ferdinand M. Gerlach am Dienstag der „Ärzte Zeitung“.
Die von Spahn vorgeschlagene Neuordnung der Notfallversorgung sei dringend erforderlich. Sie entspreche den Empfehlungen des Sachverständigenrats aus dem Jahr 2018.
Er riet der Politik,sich nicht beirren zu lassen und konsequent eine sektorenübergreifende Ausgestaltung von Gemeinsamen Leitstellen und Integrierten Notfallzentren einzufordern. „Die Schaffung eines eigenständigen dritten Sektors ist dafür definitiv nicht erforderlich, die Überwindung von Sektorgrenzen, nicht zuletzt in den Köpfen der Beteiligten, hingegen schon“.
Mehr Kooperation und Integration in der Notfallversorgung hält auch der Marburger Bund für notwendig. „Wir haben aber Zweifel daran, ob es dafür räumlich und wirtschaftlich abgegrenzter Einrichtungen wie der INZ bedarf“, sagte Dr. Susanne Johna vom MB-Bundesvorstand am Dienstag in Berlin. Wenn Spahns Pläne umgesetzt würden, käme es zwei Jahre lang zu keinen Verbesserungen in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser, argumentierte Johna.
Zunächst müsse das Gesetz verabschiedet werden, dann habe der GBA zehn Monate Zeit, um die personelle und strukturelle Ausstattung der INZ zu beschließen. Anschließend müssten die Länder die Standorte der INZ festlegen, worauf KVen und Krankenhäuser weitere sechs Monate Zeit für die Verhandlungen der Kooperationsverträge eingeräumt bekämen.
Johna verwies darauf, dass es bereits seit 2017 ein von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem MB erarbeitetes Konzept ärztlicher Zusammenarbeit in der Notfallversorgung gebe. Es sehe gemeinsame Anlaufstellen von Vertrags- und Krankenhausärzten sowie eine standardisierte Ersteinschätzung von Notfallpatienten vor, sagte Johna.