Hohe Infektionszahlen
Schärfere Anti-Corona-Maßnahmen in Sicht
Viel spricht dafür, dass die Zügel bei der Corona-Bekämpfung nach Weihnachten wieder angezogen werden – auch über Ladenschließungen wird diskutiert. Ob Bund und Länder das gemeinsam beschließen, ist nicht ausgemacht.
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Möglicherweise reicht der Hinweis auf die Maskenpflicht in den Innenstädten wie hier in Saarbrücken bald nicht mehr aus. Es gibt Überlegungen den Einzelhandel erneut in den Lockdown zu schicken.
© Oliver Dietze/dpa
Berlin. Wegen der anhaltend hohen Corona-Infektionszahlen mehren sich die Forderungen, das öffentliche Leben deutlich stärker als bisher einzuschränken. Auch Ladenschließungen nach Weihnachten sind dabei im Gespräch.
Ob sich Bundesregierung und Ministerpräsidenten vor Weihnachten dazu noch einmal zusammensetzen, ist unklar. Nicht alle Länder-Regierungschefs halten das für notwendig. Bislang ist eine neue Ministerpräsidentenkonferenz für den 4. Januar geplant.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Montag in einer Video-Sitzung der Unionsfraktion nach Angaben von Teilnehmern betont, mit den bisherigen Maßnahmen komme man von den auf einem viel zu hohen Niveau stagnierenden Infektionszahlen nicht herunter. Das heiße, man werde den Winter nicht ohne zusätzliche Maßnahmen durchstehen können. Was wo zu tun sei, müsse noch vor Weihnachten entschieden werden.
Spahn schließt Lockdown für Einzelhandel nicht aus
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält schärfere Kontaktbeschränkungen für notwendig, sollten die hohen Infektionszahlen nicht zeitnah zurückgehen.
„Der Ansatz, kurz und umfassender, um wirklich einen Unterschied zu machen, ist wahrscheinlich der erfolgreichere. Wenn wir nicht hinkommen mit der Entwicklung der nächsten ein, zwei Wochen bis Weihnachten, dann müssen wir das diskutieren“, sagte Spahn dem Fernsehsender Phoenix.
Der Minister schloss nicht aus, dass es auch einen erneuten Lockdown im Einzelhandel geben könnte. „Wir müssen das abhängig machen von den nächsten Tagen, ob es uns gelingt, die Zahlen runterzubringen.“
Die Politik ist besorgt, weil nach fünf Wochen Teil-Lockdown kein Absinken der Zahl der Neuinfektionen in Sicht ist. Vom Ziel, die Zahl auf unter 50 pro 100.000 Einwohnern über sieben Tage zu bringen, ist Deutschland weit entfernt. Aktuell unterschreitet kein Bundesland die Marke.
Im niederbayerischen Landkreis Regen, der am Montag einen Inzidenzwert von fast 570 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen aufwies, bekommen Schüler aller Jahrgangsstufen ab Mittwoch Distanzunterricht.Infektionsgeschehen
So hoch ist die Corona-Inzidenz in den einzelnen Städten und Landkreisen
Lockerungen über Silvester werden ungewiss
Die „Bild“-Zeitung berichtete, es solle nach den Feiertagen bis zum Jahresbeginn harte Maßnahmen geben. Im Gespräch sei, zwischen 27. Dezember und 3. oder 10. Januar nur Supermärkte geöffnet zu lassen.
Nach dpa-Informationen gibt es noch keine konkreten Maßnahmen, die ausdiskutiert sind. Bund und Länder hatten eigentlich vereinbart, bei Familientreffen vom 23. Dezember bis längstens 1. Januar zehn Personen plus Kinder zuzulassen. Ansonsten dürfen maximal fünf Leute aus zwei Hausständen zusammen sein.
Bayern und Baden-Württemberg haben die Lockerung bereits auf 23. bis 26. beziehungsweise 27. Dezember beschränkt. In Berlin sind über die gesamten Feiertage maximal fünf Leute erlaubt.
Die Regierungen in Bayern, im Saarland und in Baden-Württemberg drangen wie Merkel auf eine rasche zusätzliche Besprechung der Ministerpräsidenten. Die Regierungschefs aus Berlin, Bremen, Niedersachsen und Thüringen äußerten Zweifel, ob das nötig ist.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Wir haben in der Ministerpräsidentenkonferenz Regelungen bis zum 10. Januar 2021 festgelegt“. Jeder wisse, was zu tun sei.
Mehrere Landeskabinette, darunter auch jene in Erfurt und Dresden, tagen am Dienstag. Sachsen plant bereits weitere Verschärfungen der Corona-Maßnahmen. Schulen, Kitas und viele Geschäfte sollen ab Montag schließen. Nur lebensnotwendige Läden sollen – wie im Frühjahr – offen bleiben. Welche das neben Lebensmittel-Geschäften genau sind, sei noch unklar.
Ärztevertreter fordern härtere Gangart
Forderungen nach härteren Maßnahmen kommen auch aus der Ärzteschaft und von Kommunen. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Professor Frank Ulrich Montgomery, sagte der „Rheinischen Post“: „Wir brauchen überall in Deutschland, wo die Infektionszahlen hoch sind, bis Weihnachten harte Ausgangsbeschränkungen, bei denen die Menschen nur noch aus triftigem Grund das Haus verlassen dürfen.“
Man müsse von dem hohen Plateau extrem hoher Infektionszahlen herunterkommen, sonst drohe den Intensivstationen kurz nach dem Jahreswechsel der Kollaps.
Mit Blick auf die anhaltend hohe Zahl an Corona-Neuinfektionen hat der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach seine Forderung nach vier Wochen Weihnachtsferien erneuert. „Wir müssen rasch handeln, die Lage ist ernst“, sagte Lauterbach der „Rheinischen Post“. „Wir sollten die Schulen vier Wochen in die Weihnachtsferien schicken, das heißt idealerweise schon innerhalb der nächsten Woche und dann bis einschließlich der ersten Januarwoche.“
Für den Handel forderte er erneut: „Der Einzelhandel sollte nach Weihnachten für zwei Wochen in einen harten Lockdown gehen, also geschlossen werden. Zu Silvester darf es beim Kontaktverbot keine Lockerungen geben.“ Lauterbach ergänzte: „Wir sollten diese Maßnahmen noch in dieser Woche beschließen, die Zahl der Infektionen ist einfach zu hoch.“ (dpa)