Deutschland
Schmerzmittel-Sucht stärker verbreitet als Alkoholabhängigkeit
Mehr Bürger in Deutschland sind abhängig von Schmerzmitteln als von Alkohol. Das ist eine Erkenntnis aus dem neuen Suchtsurvey.
Veröffentlicht:BERLIN. Gesunde Lebensführung gilt in Deutschland längst als chic. Doch Alkohol und Tabak, auch Drogen wie Cannabis und Amphetamine, sind in der Bevölkerung nach wie vor weit verbreitet.
Das legen die Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurveys 2018 (ESA) des Instituts für Therapieforschung in München nahe (Dtsch Arztebl Int 2019; 116(35-36): 577-84 und 585-91).
Eine überraschende Erkenntnis: Die Schmerzmittelabhängigkeit liegt nun knapp vor der Alkoholabhängigkeit.
Acht Millionen Bürger rauchen täglich
Der Survey untersucht, was die Deutschen in den letzten 30 Tagen vor der Befragung an potenziell suchtauslösenden Stoffen zu sich genommen haben.
Hochgerechnet hatten demnach 36,9 Millionen der 18- bis 64-Jährigen Alkohol getrunken und zwölf Millionen Zigaretten geraucht. Täglich zur Zigarette greifen knapp acht Millionen Menschen, 2,8 Millionen sogar mehr als 20 Mal am Tag.
3,7 Millionen gaben an, Cannabis geraucht zu haben, 619.000 hatten „schnelle“ Drogen wie Ecstasy, Metamphetamin und Kokain eingenommen.
Auffällig war die Gebrauchsprävalenz von Schmerzmitteln. 26 Millionen Befragte hatten im Monat vor der Befragung Schmerzmittel zu sich genommen, mehrheitlich ohne ärztliche Verordnung.
Sieben Millionen gelten als abhängig
Aus den Daten lassen sich die gesundheitlichen Folgen des Substanzkonsums ablesen. Über alle Substanzen gerechnet, müssen demnach ausweislich der Ergebnisse sieben Millionen Menschen als abhängig eingestuft werden. Den Tabak herausgerechnet, bleiben immer noch 3,5 Millionen mit einer attestierten Abhängigkeitsstörung übrig.
Immerhin: Der Vergleich mit ESA-Daten von 2015 legt nahe, dass E-Zigaretten einen Beitrag zur Tabakentwöhnung leisten können. Elf Prozent der Raucher konnten auf diesem Vehikel zur Abstinenz gelangen.
Als alkoholabhängig gelten nach den Survey-Ergebnissen 1,6 Millionen Menschen im Land (Prävalenz von 3,1 Prozent). Leicht höher sogar liegt die Prävalenz für Schmerzmittelabhängige (3,2 Prozent).
Das Gros dieser Suchterkrankungen wird von den Studienautoren auf nichtopioidhaltige freiverkäufliche Analgetika zurückgeführt, die gleichwohl ein hohes Abhängigkeitspotenzial aufwiesen.
Riskantes Konsummuster
Die Autoren sehen zusammenfassend riskante Konsummuster in der Bevölkerung weit verbreitet. Die substanzbezogenen Störungen müssten als erhebliche Belastung für die Gesellschaft gewertet werden.
Sie räumen ein, dass durch die auf Selbstangaben beruhenden Prävalenzwerte für jeden Konsum vermutlich über-, problematische Konsummuster unterschätzt werden könnten.
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