Einigung von Union und SPD

So soll die nationale Diabetes-Strategie aussehen

Nach langem Streit will die Koalition bei der nationalen Diabetes-Strategie endlich Fakten schaffen: Union und SPD haben die Ziele abgesteckt, der Bundestag soll in der kommenden Woche grünes Licht geben.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht:
Teil der Diabetes-Strategie ist, dass Adipositas und die Themen Ernährung und Bewegung stärker in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung berücksichtigt werden.

Teil der Diabetes-Strategie ist, dass Adipositas und die Themen Ernährung und Bewegung stärker in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung berücksichtigt werden.

© Photographee.eu / Fotolia

Berlin. Bei der nationalen Diabetes-Strategie gibt es Bewegung. Nach Informationen der „Ärzte Zeitung“ haben sich Union und SPD auf einen Initiativantrag verständigt. Nächste Woche will der Bundestag darüber beraten. Der Antrag liegt der „Ärzte Zeitung“ vor.

„Damit geht die Diabetes-Strategie jetzt ihren Weg“, sagte SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas am Donnerstag der „Ärzte Zeitung“. In ihrem Antrag machten die Fraktionen klar, „wo es hingehen soll“. Die Bundesregierung habe für eine „zügige“ Umsetzung zu sorgen. „Wir werden als Parlament genau hinschauen, ob das auch passiert“, betonte Bas.

Die Diabetes-Strategie ist im Koalitionsvertrag als Ziel formuliert. Zu einer Verabschiedung ist es trotz mehrerer Anläufe bislang nicht gekommen. Verrannt hatten sich Union und SPD bei der Frage der verbindlichen Zuckerreduktion unter anderem in Erfrischungsgetränken.

Streitpunkt Zuckerreduktion

Der nun vorliegende Antrag enthält einen Kompromiss dazu: Die Zuckerreduktion wird als „wichtiges Ziel“ der nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie bezeichnet, da gesüßte Limonaden vor allem von Kindern und Jugendlichen konsumiert würden. Branchenbezogen sei bis Ende 2025 eine freiwillige Zuckerreduktion um 15 Prozent in den Getränken vereinbart. Krankenkassen und Fachgesellschaften forderten eine verbindliche Reduktion von 50 Prozent.

Die Bundesregierung solle sich daher für eine „Ausweitung des Engagements“ der Branche einsetzen und dabei die Forderung von Krankenkassen und Fachgesellschaften „prüfen“. Die Kontrolle der Portionsgröße bei Verpackungen, etwa Getränkedosen, könne hier ein sinnvolles Instrument sein.

Zudem wird die Regierung aufgefordert, außer Gesundheit auch Bereiche wie Ernährung, Sport, Bildung, Forschung, Arbeit oder Umwelt in die Strategie einzubinden. Forschungsvorhaben sowie Maßnahmen zur Diabetes-Bekämpfung seien im Sinne des „Health in All Policies“-Ansatzes von WHO und EU zu bündeln.

Auf die Bundesärztekammer soll die Regierung hinwirken, dass Adipositas und mit ihr die Themen Ernährung und Bewegung stärker in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung berücksichtigt werden. Zudem soll die Bundesregierung eine multimodale Versorgung von Menschen mit Adipositas in der vertragsärztlichen Versorgung ermöglichen.

DMP sollen zielgenauer werden

Hausarzt- und Schwerpunktpraxen sowie Kliniken sollen enger zusammenarbeiten, um eine wohnortnahe, sektorenübergreifende Langzeitbetreuung von Diabetikerin sicherzustellen. DMP und Chroniker-Schulungen sollen zudem „zielgenauer und flexibler“ werden.

Die Koalition muss endlich Wort halten und die Diabetes-Strategie verabschieden.

Professor Monika Kellerer, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)

Das beim RKI in Berlin angesiedelte „Diabetes-Überwachungs-System“ soll ausgebaut werden. Zusammen mit den Ländern soll die Bundesregierung zudem Sorge tragen, dass „regionale Register“ genutzt und verfügbar gemacht werden.

Mehr telemedizinische Angebote

Informations- und Beratungsangebote zu Diabetes sollen ausgebaut, eine auskömmliche Finanzierung sichergestellt werden. „Kernaufgabe“ soll sein, die Bedeutung der ersten 1000 Lebenstage herauszustellen, heißt es im Antrag. In dieser Phase würden nicht nur Ernährungsmuster geprägt, sondern auch die Neigung zu Allergien sowie zu Fehl- und Mangelernährung.

Die personalisierte Diabetes-Medizin soll ausgebaut werden. Zudem sollten Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Bewegung oder der Arzneimitteleinnahme auf das Diabetes-Risiko stärker erforscht werden.

Die Selbstverwaltung soll für einen Ausbau telemedizinischer Angebote zu Diabetes sorgen. „Versorgungs- und Lebensqualität“ von Diabetikern und Angehörigen ließen sich so steigern. Die Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Professor Monika Kellerer, rief die Koalition auf, „endlich Wort zu halten“ und die Strategie zu verabschieden. „Die Arbeit geht dann erst richtig los“, sagte Kellerer der „Ärzte Zeitung“.
Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Expertenrat für Gesundheit und Resilienz

Fachleute fordern gezielte Förderung für die Präventionsforschung

Umfrage unter KVen

Erst sechs Impfvereinbarungen zur RSV-Prophylaxe Erwachsener

Analyse großer US-Studien

Schützt Olivenöl vor dem Tod durch Demenz?

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Dr. Nicolai Worm 26.06.202013:50 Uhr

Fast zwei Drittel der Erwachsenen in Deutschland sind übergewichtig oder fettleibig. Dazu ist körperliche Inaktivität weit verbreitet und Schlafmangel ist zur Volkskrankheit geworden. Die Folge für die meisten ist Insulinresistenz. Das ist eine Kohlenhydrat-Stoffwechselstörung. Damit ist nicht nur der Zucker ein Problem sondern auch die hochgepriesenen komplexen Kohlenhydrate, die den Großteil der täglichen Kalorienzufuhr ausmachen (Stärke => Brot und Backwaren, Kartoffeln, Reis und Nudeln etc.). Bei Insulinresistenz werden diese komplexen Kohlenhydrate selbst ohne positive Energiebilanz in Fett umgewandelt (De novo Lipogenese). Das fördert die Fettleber und damit befindet man sich auf dem direkten Weg zum T2DM. Unsere Fachgesellschaften predigen aber nach wie vor für alle dieselbe "gesunde" Ernährungsform, bei der Stärkelieferanten die Basis der täglichen Ernährung sein sollten. Wann kommen endlich differenzierte Ernährungsempfehlungen? Wann wird Insulinresistenz als Richtschnur für sinnvolle Ernährungsempfehlungen genommen?

Dr. Johannes Scholl 26.06.202007:11 Uhr

Wie zu erwarten war, fehlt ein entscheidender Satz in der Diabetes-Strategie: der Typ 2-Diabetes ist keine unumkehrbar Erkrankung, sondern reversibel. Es wäre eigentlich eine Verpflichtung aller Ärzte und insbesondere der DDG, die neumanifestierten Patienten mit Typ 2-diabetes darauf hinzuweisen, dass diese Möglichkeit besteht. Die Studienlage dazu ist eindeutig: mit einer Mahlzeiten – Ersatztherapie und/oder Low-Carb – Ernährung kann die Hälfte der Diabetiker auf lange Sicht ihren Diabetes in Remission bringen. Aber es scheint, dass das für viele Player im Gesundheitswesen eine unerwünschte Vorstellung ist…
Dr. med. Johannes Scholl
1. Vorsitzender der Deutschen Akademie für Präventivmedizin e.V.
www.akaprev.de

Sonderberichte zum Thema
Neues Wocheninsulin für Typ-2-Diabetes

© Springer Medizin Verlag

Neues Wocheninsulin für Typ-2-Diabetes

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
Abb. 1: Design der CASPAR-Studie

© Springer Medizin Verlag GmbH, modi?ziert nach [2]

Diabetische Polyneuropathie

Capsaicin-Pflaster: Wirkung kann bei Mehrfachanwendung zunehmen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Grünenthal GmbH, Aachen
Abb. 1: Empfohlene Messfrequenz von geschätzter glomerulärer Filtrationsrate (eGFR) und Urin-Albumin-Kreatinin-Verhältnis (UACR) sowie Therapieindikation

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9, 11, 12]

Kardiorenaler Schutz bei Typ-2-Diabetes mit chronischer Nierenerkrankung

Frühe Diagnostik und leitliniengerechte Risikosenkung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Bayer Vital GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Was bleibt von der Gesundheitspolitik der Ampel, Professor Greiner?

Lesetipps
Dr. Carsten Gieseking

© Daniel Reinhardt

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

70 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025

Eine Spritze für eine RSV-Impfung liegt auf dem Tisch.

© picture alliance / Ulrich Baumgarten

Update

Umfrage unter KVen

Erst sechs Impfvereinbarungen zur RSV-Prophylaxe Erwachsener