Coronalage
Spahn: „Corona-Impfstart light“ in den Hausarztpraxen
Die Praxen sollen früh, aber mit geringen Mengen Impfstoff starten können, regt der Gesundheitsminister an. Experten warnen vor „fulminanter“ dritter Welle.
Veröffentlicht:Berlin. Schwarze Wolken verdunkeln den Start in den Frühling. 17.482 Infektionen hat das Robert Koch-Institut (RKI) am Freitag gemeldet, über 4000 mehr als eine Woche zuvor. „Wir werden noch einen langen Atem brauchen“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei der freitäglichen Pressekonferenz zur Coronalage.
Von einem schnellen Übergang des Impfens von den Zentren in die Praxen solle die Öffentlichkeit nicht zu viel erwarten, sagte Spahn. Vom Impf-Gipfel erwarte er ein möglichst einheitliches Vorgehen. Er persönlich hätte nichts dagegen, wenn man sich auf einen früheren Termin als den 19. April einigen könne.
Eine Impfsprechstunde pro Woche
Die Knappheit an Impfstoff ermögliche in den ersten Aprilwochen eventuell eine Impfsprechstunde in der Woche in Hausarztpraxen. Dazu müssten die Praxen Patienten nach der Priorisierungsreihenfolge einladen. Die derzeit liegen gebliebenen 1,6 Millionen Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs seien nicht genug, um sie nach dem „Windhundprinzip“ anzubieten. Das würde die Praxen überfordern, so Spahn.
Das Land werde aktuell von einer „fulminanten dritten Welle“ an Infektionen mit SARS-CoV-2 erfasst, warnte der SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach, der als Gast dazu geladen war. Und der Vize-Präsident des Robert Koch-Instituts Professor Lars Schade, sprach von einem „exponentiellen Anstieg“ der Infektionszahlen und einer steigenden Tendenz der Belegung auf den Intensivstationen. Dieser Anstieg sei nicht durch die wachsende Zahl von Tests zu erklären. Vor allem die britische Virus-Variante B.1.1.7. werde beobachtet. „Uns stehen schwere Wochen bevor“, sagte Schade.
Lauterbach empfahl im Vorfeld der Bund-Länder-Beratungen am Freitagnachmittag und am Montag, sich auf eine schnelle Rückkehr zu einem weitreichenden Lockdown zu einigen: „Schnell und hart“, nannte er die Maßnahme. Von Reisen zu Ostern sollten die Menschen tunlichst Abstand nehmen. Wenn der Lockdown erst später starten sollte, müsse er aufgrund des dann fortgeschrittenen Infektionsgeschehens länger ausfallen.
Schnelltests doch kein game changer
Schnelltests könnten den nächsten Lockdown nicht verhindern, sagte Lauterbach. Die Tests erklärten höchstens ein Drittel des Anstiegs der Infektionszahlen. Gleichwohl seien Tests in Schulen und Betrieben mindestens zweimal pro Woche enorm wichtig. „Diese Chance sollten wir nicht verschenken“, betonte Lauterbach, der selbst Arzt ist.
Die vorhandenen Mengen an Impfstoff sollten nun möglichst zügig für Erstimpfungen aufgebraucht werden, weil in ihr die Hauptschutzwirkung liege, empfahl der SPD-Politiker. Gleichzeitig sollte die bestehende Priorisierung nicht aufgehoben werden. Über 80-Jährige hätten ein 600-faches Risiko, an COVID-19 zu sterben als jüngere Menschen. Deshalb ließen sich mit vorgezogenen Erstimpfungen zwischen 8000 und 14.000 Menschenleben retten. Der am Donnerstag wieder zugelassene Impfstoff des britisch-schwedischen Unternehmens AstraZeneca soll künftig in Deutschland abgefüllt werden, kündigte Jens Spahn an. Die Johnson & Johnson-Vakzine solle sogar in Deutschland hergestellt werden. Standort solle jeweils das Unternehmen IDT in Dessau-Roßlau sein. Dies werde die Bundesregierung unterstützen.
Notfallzulassung für Curevac?
Der Minister räumte Defizite bei der Impfstoffversorgung ein. Von AstraZeneca seien im zweiten Quartal zwei bis drei Millionen Dosen weniger zu erwarten. Stand heute ständen für das zweite Quartal von diesem Hersteller lediglich 15 Millionen Dosen zur Verfügung. Das Produkt von Johnson&Johnson werde frühestens Mitte April zur Verfügung stehen.
Eine Notfallzulassung für den Impfstoff des Tübinger Unternehmens Curevac hat Karl Lauterbach angeregt. Da der Wirkstoffmechanismus vergleichbar denen von BioNtech/Pfizer und Moderna sei, könne man eine Zulassung wie für ein Biosimilar erwägen und sich die aufwendige dritte Studienphase sparen.