Ratspräsidentschaft
Spahn will weiter über europäische Nutzenbewertung verhandeln
„Umsetzen statt ankündigen“: Seit Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne. Die Schwerpunkte in Sachen Gesundheit hat Jens Spahn dem Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments am Montag vorgestellt. Darunter die Euro-HTA.
Veröffentlicht:Berlin/Brüssel. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am Montag vor Abgeordneten des Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments die zentralen Vorhaben unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt.
Deutschland strebe in den kommenden sechs Monaten eine „Umsetzungs- und nicht eine Ankündigungspräsidentschaft an“, sagte Spahn. Es gehe darum, die Lehren zu ziehen aus der COVID-19-Pandemie. Als Ziel definierte er dabei „gemeinsames Handeln für eine souveräne europäische Gesundheitspolitik“.
Besseres EU-Krisenmanagement: Spahn bekräftigte vor den Parlamentariern das Vorhaben, das Europäische Zentrum für Krankheitsvorbeugung und Kontrolle (ECDC) zu stärken. Dafür benötige dieses Zentrum mehr Zuständigkeiten, aber auch mehr Haushaltsmittel. Der Minister ließ erkennen, diese Aufwertung müsse auch mit einer größeren Bereitschaft einhergehen, Empfehlungen der ECDC in den Mitgliedsstaaten verbindlich zu übernehmen. Deutschland werde Vorschläge für eine bessere Prognosefähigkeit, die Schaffung einer vergleichbaren Datenbasis in den EU-Staaten und die Entwicklung eines digitalen Frühwarnsystems zur Debatte stellen.
Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln: Es dürfe nicht von China abhängen, ob in Warschau oder Madrid ausreichend Schutzausrüstung für die Pflegekräfte vorhanden ist, so Spahn. Daher werde Deutschland Vorschläge für die Sicherstellung der Wirkstoffqualität, eine erhöhte Transparenz der Herstellungsstätten und eine europäische Zusammenarbeit bei der Wirkstoffproduktion unterbreiten.
Besserer Austausch von Gesundheitsdaten: Um diese Daten sicher verarbeiten zu können, strebe man einen „Code of Conduct“ für die sekundäre Verarbeitung von Gesundheitsdaten auf der Grundlage der Datenschutzgrundverordnung an. Unternehmen, Forscher und Bürger müssten verlässlich wissen, welche rechtlichen Vorgaben für sie beim Umgang mit Gesundheitsdaten gelten.
Rolle der EU in der globalen Gesundheitspolitik: Multinationale Organisationen müssten „aus einer starken Position heraus agieren können“. Die WHO könne nur so gut sein, wie die Mitgliedsstaaten sie sein lassen. In Zeiten, in denen die USA aus der WHO austreten wollen, sollte die EU ihr Engagement für eine Reform, aber auch für die notwendige Ausstattung der WHO erhöhen. „Es sollte aus meiner Sicht auf Dauer nicht so sein, dass nicht-staatliche Geldgeber die größten Geldgeber sind“, so Spahn beispielsweise mit Blick auf die Gates-Stiftung.
Außer diesen vier Schwerpunkten verwies der Minister auf die „inklusive Impfallianz“, die Frankreich, Italien, Niederlande und Deutschland gegründet haben. Ziel sei es, „ab dem ersten Tag“ alle EU-Mitgliedsstaaten mit Impfstoffen versorgen zu können. Dazu sei mit AstraZeneca eine erste Vereinbarung über 300 Millionen Impfstoffdosen getroffen worden – mit der Option einer Erhöhung um 100 Millionen Dosen. Dabei geht es um den an der Universität Oxford entwickelten COVID-19-Impfstoff AZD1222. Die Aktivitäten dieser Impfallianz sollten mit denen der EU-Kommission zusammengeführt werden.
Deutschland hält am Ziel der HTA-Verordnung fest
Obwohl nicht auf der offiziellen Agenda, ließ Spahn erkennen, dass auch am zwischen Rat, Kommission und Parlament umstrittenen Verordnungsentwurf für Health Technology Assessment (HTA) weitergearbeitet werden soll.
Es war befürchtet worden, dass die Verhandlungen über diesen Entwurf angesichts der Pandemie hintangestellt werden könnten. „Wir wissen um die Position des Europäischen Parlaments dazu.“ Deutschland unterstütze das übergeordnete Ziel, HTA-Fachwissen in Europa zu bündeln und Doppelarbeit zu vermeiden.
Einer der Hauptkonflikte dreht sich um die Frage, wie verbindlich die Ergebnisse einer europäischen Nutzenbewertung beispielsweise für neue Arzneimittel dann in den EU-Staaten umgesetzt werden sollen. Hierzu hat es seit Monaten zwischen den EU-Institutionen kaum Verhandlungsfortschritt gegeben.