Schwangerschaftsabbrüche

Spahn zeigt sich kompromissbereit

Beim Reiz-Thema Schwangerschaftsabbrüche signalisiert Gesundheitsminister Jens Spahn Gesprächsbereitschaft.

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Jens Spahn (Mitte) hat Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Jens Spahn (Mitte) hat Gesprächsbereitschaft signalisiert.

© Kay Nietfeld / dpa

BERLIN. Im Streit über eine Aufhebung des Werbeverbots bei Abtreibungen hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Gesprächsbereitschaft erkennen lassen.

Der Konflikt über Abtreibungen sei vor mehr als 25 Jahren in einem Kompromiss gelöst worden, zu dem auch das Werbeverbot in Paragraf 219a gehört.

"Zu diesem Kompromiss als Ganzes stehen wir, da gibt es keinen Änderungsbedarf", sagte Spahn der "Süddeutschen Zeitung" (Montag).

"Aber falls es ein berechtigtes, bisher noch nicht abgedecktes Bedürfnis nach objektiven Informationen geben sollte für Frauen, die sich in einer schwierigen persönlichen Lage befinden, werden wir gemeinsam nach Lösungen suchen." Darüber wolle er auch mit Ärzten und Beratungsstellen sprechen.

Hintergrund des Streits ist die Verurteilung einer Ärztin, die auf ihrer Internetpräsenz darauf hingewiesen hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

Der Koalitionspartner SPD wollte ursprünglich das Werbeverbot ganz kippen. Die Union lehnt dies jedoch ab. Ein Kompromiss sieht jetzt vor, dass die Regierung Lösungsmöglichkeiten prüft und einen Vorschlag vorlegt. (dpa)

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Kommentare
Dr. Klaus Günterberg 05.04.201810:42 Uhr

Werbung: Ein kaufmännischer Begriff. Information: Voraussetzung für Rat und Hilfe.

Wir Ärzte beraten auch, wenn eine Frau ungewollt schwanger ist und einen Abbruch wünscht, bei einem großen menschlichen Konflikt. Wir beraten nach den geltenden Vorschriften, zu den medizinischen Fragen, zu den Rechtsvorschriften, zu den sozialen Fragen und, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederholt, auch zur späteren Verhütung, Wir beraten umfassend und ergebnisoffen, ggf. auch unter Einbeziehung des Partners. Wir beraten aus unserer ethischen Verantwortung als Ärzte, allerdings nicht aus wirtschaftlichem Interesse.

Ein Auszug aus der Gebührenordnung soll das erläutern: Der Arzt bekommt für die Beratung seiner Patientin und ggf. auch des Partners nach Ziffer 01900 EBM den Betrag von 8,05 € (!). Kommt die Frau nur zur Beratung, bekommt der Arzt (zzgl. pauschale Zuschläge für die Grundversorgung und Konsultation) dann 24,50 € - für eine Beratung, die mindestens eine halbe Stunde dauert. Dabei sollte man nicht vergessen, dass Einkommen nicht gleich Einkommen ist – dazwischen liegen Kosten (für Räume, Personal, Versicherungen usw.), danach folgen noch Steuern. Betriebswirtschaftlich gesehen ist die Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch also zutiefst defizitär.

Ärzte wissen das, sie konnten schon in der Schule gut rechnen; für eine defizitäre Leistung zu werben ist also absurd. Dennoch zu beratien, ist ethisch motiviert, sollte eigentlich gelobt werden. Man sieht auch: Die Beratung zum Schwangerschaftsabbruch ist extrem unwirtschaftlich; niemand aus anderem beratenden Beruf würde zu solchem Honorar arbeiten.

Werbung ist ein Begriff aus der Wirtschaft, sie dient der Verkaufsförderung. Das trifft bei der ärztlichen Beratung bei einem Schwangerschaftskonflikt aber zweifelsfrei nicht zu. Die Information, bei welchem Arzt man Rat und Hilfe bekommt, ist legitim.

Dr. Thomas Georg Schätzler 26.03.201821:22 Uhr

Sachliche Information oder anpreisende Werbung?

Jetzt dämmert es auch dem frischgebackenen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass der Paragraf 219a Strafgesetzbuch (StGB) ein Werbeverbot und keine Informationssperre beinhaltet. Die hochgeschätzte Kollegin Kristina Hänel, die auf ihrer Praxiswebsite unter vielen anderen Items nur informativ darauf hinwies, auch Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, bot dazu weitere Informationen im E-Mail-Versand an, aber keine Werbung.

Ist es etwa bezeichnend für amtsrichterliche Sprachkultur, unter intellektueller Missachtung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten von ''Information'' und ''Werbung'' einer Ärztin vorzuwerfen, damit gegen Paragraf 219a Strafgesetzbuch verstoßen zu haben, der lediglich Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch verbietet?

Der Gesetzeswortlaut des Paragraphen 219a StGB wurde von der Vorsitzenden Richterin am Amtsgericht Gießen offensichtlich gar nicht verstanden bzw. fehlinterpretiert:

"§ 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung
anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.

(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird."

Leserinnen und Leser der Ärzte Zeitung mögen sich bitte dazu ein eigenes Urteil bilden...

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
von 1982 bis 1991 ärztlicher Mitarbeiter im Essener AWO-Beratungszentrum ''Lore Agnes Haus'' für Familienplanung, Schwangerschaftskonflikte und Fragen der Sexualität (Träger Bezirksverband Niederrhein der ARBEITERWOHLFAHRT)

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