Referentenentwurf
Spahns 9-Punkte-Plan für Apotheken
Nach Ärzten und Pflegekräften nimmt der Bundesgesundheitsminister nun die Apotheker ins Visier: Spahn will mittels Gesetz die Vor-Ort-Apotheke stärken - und etwa Impfungen erlauben.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant ein weiteres Gesetz. Dazu hat er einen Referentenentwurf vorgelegt mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“. Mit dessen Inhalten sorgt er einmal mehr für einige Überraschungen.
Passiert das Gesetz in der jetzt vorgelegten Entwurfsfassung den Bundestag, woran angesichts ausführlicher unions- und koalitionsinterner Vorgespräche mit Gesundheitsminister Spahn kaum zu zweifeln ist, kann die Branche zufrieden sein.
Aus dem lange ersehnten Verbot des Versandhandels verschreibungspflichtiger Arzneimittel wird schlussendlich zwar nichts – das ist jetzt offiziell.
Doch das geplante sozialrechtliche Rx-Boni-Verbot ist auch nicht von schlechten Eltern: Apotheken, die sich nicht an die Arzneimittelpreisverordnung halten, drohen laut Gesetzentwurf bis zu 50.000 Euro Vertragsstrafe oder bis zu zwei Jahren Ausschluss aus der GKV-Versorgung.
Der von vielen Apothekern befürchtete Preiswettbewerb im Rezeptgeschäft wäre damit wohl gebannt – immer vorausgesetzt, die EU-Kommission spielt mit.
Wegen der Preisbindung für rezeptpflichtige Produkte hat sie bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Ob sich die Kommission mit Spahns sozialrechtlicher Rochade – böse Zungen könnten es einen Taschenspielertrick nennen – zufrieden gibt?
Neue Dienstleistungen
Auf der Habenseite durchgesetzter Forderungen können die Apotheker jedenfalls die Einführung zusätzlich honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen verbuchen.
Laut Gesetzentwurf sollen Apothekerschaft und GKV-Spitzenverband neue Leistungen vereinbaren, auf die danach die Versicherten auch einen Anspruch hätten.
Zur Finanzierung zahlen die Kostenträger je abgegebener Packung eines verschreibungspflichtigen Mittels 20 Cent in einen Fonds. Auf Basis des Packungsabsatzes 2018 kämen damit pro anno rund 150 Millionen Euro zusammen.
Auch die Vergütung des Apotheken-Notdienstes sowie der Betäubungsmittelabgabe sollen angehoben werden. In Summe ergäben sich aus Spahns Reformplänen rund 200 Millionen Euro zusätzliches Honorar.
Aufreger Impfen
Für erneuten Ärger in der Ärzteschaft dürfte Spahns Festhalten an der Idee sorgen, in Apotheken auch Grippeschutzimpfungen stattfinden zu lassen.
Das soll zunächst in regionalen Modellvorhaben mit dem Ziel getestet werden, die Impfquote zu verbessern. Pharmazeuten, die daran teilnehmen wollen, müssen sich Spahns Plänen zufolge vorher allerdings umfassend ärztlich schulen lassen sowie geeignete Behandlungsräume vorweisen können – keine geringe Hürde, insbesondere für kleine und alteingesessene Offizinen.
Impfangebote in Apotheken ermöglichten „einen weiteren niedrigschwelligen Zugang“ zur Influenzaprävention, heißt es im Begründungsteil des Gesetzentwurfs.
Für Ärzte interessant könnte unter dem Gesichtspunkt effizienter Praxisführung eine weitere geplante Neuerung werden: Künftig sollen sie für schwer chronisch erkrankte Patienten Langzeitverordnungen ausstellen dürfen, die eine maximal dreimalige Arzneimittelabgabe durch Apotheker erlaubt. Die wichtigen Bausteine des Gesetzentwurfs:
- In Paragraf 31 SGB V wird ergänzend eine Formulierung aufgenommen, wonach die freie Apothekenwahl der Patienten auch für die Einlösung elektronischer Rezepte gilt – und dementsprechend auch das Zuweisungsverbot digitaler Verordnungen durch Vertragsärzte oder Krankenkassen an bestimmte Apotheken. Diese Klarstellung hatte sich der Apothekerdachverband ABDA wiederholt ausdrücklich gewünscht.
- In der Apothekenbetriebsordnung wird die Arzneimittelabgabe mittels Automaten unzulässig – es sei denn, der Automat dient lediglich der Abholung zuvor bestellter Präparate.
- Botendienste und Arzneimittelversandhandel müssen künftig nachweisen können, dass beim Transport temperaturempfindlicher Produkte die Kühlkette nicht unterbrochen wurde.
- Gleichpreisigkeit: Regelungen für einen einheitlichen Abgabepreis bei RX-Arzneimittel sollen künftig unter das SGB V fallen. Die Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung ist Basis für die Erstattungsfähigkeit bei GKV-Patienten. Selbstzahler dürften Boni und Rabatte erhalten, müssen sie aber gegenüber den Kostenträgern ausweisen.
- Um die freie Apothekenwahl zu erhalten, wird unter anderem das Abspracheverbot zwischen Ärzten und Apothekern auch auf ausländische Apotheken erweitert.
- Ärzte können für chronisch Kranke Rezepte ausstellen, auf die bis zu dreimal das Medikament abgegeben werden kann.
- In regionalen Modellprojekten sollen Apotheker eine Grippeimpfung in der Apotheke durchführen dürfen.
- 150 Millionen Euro stehen für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen zur Verfügung, etwa Medikationsanalysen.
ABDA sieht "gute Impulse"
„Die eingeschlagene Richtung stimmt“, ließ die ABDA in einer ersten Stellungnahme verlauten. „Alles in allem hat der Gesetzgeber hier gute Impulse gegeben“, kommentierte der Vorsitzende des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller, Jörg Wieczorek.
Hausarztchef Ulrich Weigeldt erklärte, Impfungen zählten nicht zu den Kompetenzen der Pharmazeuten und gehörten „eindeutig in die ärztliche Praxis“.
Die Bereitschaft, sich gegen Grippe impfen zu lassen, sei „sehr hoch“ und werde „keineswegs durch den Weg in die Arztpraxis gehemmt“.
BÄK lehnt Impfungen in Apotheken ab
Die Bundesärztekammer (BÄK) hält nichts davon, „das Impfrecht neben Ärzten auch auf andere Professionen aus dem Gesundheitswesen zu übertragen“. Es wäre kontraproduktiv, das hohe Qualitätsniveau von Impfleistungen zu senken, teilte BÄK-Chef Professor Frank-Ulrich Montgomery mit.
„Aus gutem Grund ist Impfen nach den geltenden Gesetzen eine urärztliche Aufgabe. Es geht nicht um den Stich allein. Vielmehr gehören zu den ärztlichen Impfleistungen unter anderem die Impfanamnese, der Ausschluss akuter Erkrankungen und die Aufklärung zur Impfung.“.
Mögliche Komplikationen müssten beherrscht werden, betonte Montgomery. Dies setze eine entsprechende ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung voraus. „In Tagesseminaren lassen sich diese Kenntnisse nicht vermitteln.“ (cw/run/ths)
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 09.04.2019 um 17:31 Uhr.
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