Südafrika
Spahns Dienstreise zu anderen Impf-Problemen
Bei der Zahl der Corona-Impfungen hinkt Afrika anderen Weltregionen dramatisch hinterher. Wie schnell kann internationaler Anschub Tempo bringen? Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam ein Signal setzen.
Veröffentlicht:Johannesburg. Für Jens Spahn ist es die erste weite Dienstreise in Zeiten der Pandemie. Und eines begleitet den CDU-Politiker auch zwölf Flugstunden von Berlin entfernt: Impfstoff gegen das Coronavirus ist weiter knapp und begehrt – im reichen Deutschland, aber umso mehr auf dem afrikanischen Kontinent.
Der Gesundheitsminister besucht am Freitag Südafrika, um europäische Bemühungen für den Aufbau einer Impfstoffproduktion vor Ort fortzusetzen. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist dafür angereist, Spahn vertritt die Bundesregierung.
Die deutsche Linie, nicht als erstes am Patentschutz zu rütteln, ist nicht unumstritten. „Das Wichtigste ist nicht die Frage von Patenten“, sagt Spahn aber gleich bei der ersten Besuchsstation, dem nationalen Zentrum für übertragbare Krankheiten in Johannesburg. Der schnellste Weg sei, Produktionskapazitäten zu schaffen – über Kooperation, „die auch gewollt ist von beiden Seiten.“
Im Kern lautet der Ansatz: Mögliche Produzenten in Afrika mit Finanzhilfen in die Startposition bringen – und Impfstoffentwicklern den Weg etwa für die Vergabe von Lizenzproduktionen bereiten. Die deutschen Unternehmen wollten mit anderen Herstellern in der Welt kooperieren, sagt Spahn.
Afrika braucht dringend Impfstoff
Afrika hat bei der Zahl der Neuinfektionen global gesehen einen Anteil von nicht einmal drei Prozent, hinkt beim Impfen aber anderen Weltregionen dramatisch hinterher. Von einem enormen Ungleichgewicht spricht die Weltgesundheitsorganisation WHO. Weniger als zwei Prozent der verfügbaren Dosen stünden dort zur Verfügung.
„Afrika braucht Impfstoffe, und zwar sofort“, forderte die für den Kontinent zuständige WHO-Direktorin Matshidiso Moeti noch am Donnerstag. „Jegliche Pause in unseren Impfkampagnen führt zu verlorenen Leben und verlorener Hoffnung.“
Um zehn Prozent der Bevölkerung Afrikas bis September zu impfen, seien weitere 200 Millionen Dosen nötig. Länder, die bereits ihre Hochrisikopatienten geimpft haben, sollten ihre Versprechen umsetzen und ihre Impfdosen mit ärmeren Ländern teilen. Zudem hatte die Debatte um die mögliche Aufhebung von Impfstoffpatenten zuletzt nach einem Vorstoß von US-Präsident Joe Biden deutlich an Fahrt aufgenommen, die EU reagierte zurückhaltend. Noch ist unklar, ob dem afrikanischen Kontinent über diesen Weg schnell geholfen werden kann.
Dritte Welle noch überschaubar
In Südafrika als dem am stärksten von Corona betroffenen Land des Kontinents wurden seit Beginn der Pandemie knapp 1,6 Millionen Infektionen registriert, rund 53.500 Menschen starben an den Folgen. Zuletzt ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen drastisch gesunken. Die Heilungsquote liegt bei 95 Prozent. Die Regierung hob daher die meisten Restriktionen wieder auf. Zu Jahresbeginn rutschten die Infektionszahlen zunächst auf neue Tiefststände.
Auch wenn sich dieser Trend mit Beginn der kalten Jahreszeit auf der Südhalbkugel wieder gedreht hat, kommt die befürchtete dritte Welle bisher eher noch überschaubar daher. Zuletzt stieg die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf rund 3000. Dennoch gilt Südafrika mit seinen rund 60 Millionen Einwohnern aus deutscher Sicht weiter als Land mit neuen Virusvarianten und unterliegt strengen Reisebeschränkungen, die den Tourismus akut ausbremsen. Kritik daran dürfte auch Spahn zu hören bekommen.
In Südafrika ist ein Prozent der Bevölkerung geimpft
Auch in Deutschland entspannt sich bekanntlich die Lage, dennoch gibt es weiter Frust und Kritik mit Blick auf das Tempo der Impfkampagne. Die Afrika-Reise führe mal vor Augen, „in welcher zuversichtlich machenden Situation wir in Deutschland sind“, sagt Spahn. „Wir diskutieren darüber, ob wir 12- oder 15-Jährige bald impfen können.“
In Südafrika sei gerade mal ein gutes Prozent der Bevölkerung geimpft. Daraus folge das Interesse, anderen Ländern bei der Beschleunigung ihrer Impfkampagne zu helfen. Die EU habe schon die Hälfte der hergestellten Impfstoffe exportiert. Denn es gelte, „dass wir erst sicher sind, wenn alle sicher sind.“ (dpa)