Schwangerschaftsabbruch

Spanien macht Abruptio zu öffentlichem Gesundheitsrecht

Ein neues Gesetz sieht vor, dass eine Abtreibung kostenlos in öffentlichen Krankenhäusern möglich sein muss – Ärzte sehen nun ihre Gewissensfreiheit bedroht.

Manuel MeyerVon Manuel Meyer Veröffentlicht:
Irene Montero, Gleichstellungsministerin von Spanien, hofft auf sicherere Schwangerschaftsabbrüche durch die geplante neue Gesetzgebung.

Irene Montero, Gleichstellungsministerin von Spanien, hofft auf sicherere Schwangerschaftsabbrüche durch die geplante neue Gesetzgebung.

© ZIPI / EPA / picture alliance

Madrid. Spanien hat das Recht auf Abtreibung zu einem öffentlichen Gesundheitsrecht gemacht. Die linke Regierungskoalition von Ministerpräsidenten Pedro Sánchez verabschiedete am Dienstag einen Gesetzentwurf, nach dem staatliche Krankenhäuser Schwangerschaftsabbrüche vornehmen müssen.

Das neue Gesetz über „reproduktive Gesundheit und sexuelle Rechte von Frauen“ sieht zudem vor, dass der Eingriff kostenlos in öffentlichen Krankenhäusern möglich sein muss und mit dem Recht auf eine mehrtägige Krankschreibung verbunden ist.

Ärzte und Gesundheitspersonal sollen aus Gewissensgründen die Möglichkeit bekommen, die Durchführung von Abtreibungen ablehnen zu können. Hierfür müssen sie sich allerdings in ein staatliches Register eintragen lassen. Das soll die Koordination erleichtern und garantieren, dass sich an jedem Krankenhaus ausreichend viele Ärzte befinden, die zu den nun gesetzlich verankerten Schwangerschaftsabbrüchen bereit sind.

Gewissensfreiheit der Ärzte unter Druck

Tomás Cobo, Präsident der spanischen Ärztekammer, sieht dadurch die Gewissensfreiheit der Ärzte und des Gesundheitspersonals in Spanien zunehmend unter Druck. Er gab dabei zu Bedenken, dass laut der spanischen Verfassung zudem niemand gezwungen werden dürfe, über seine Ideologie, Religion oder Weltanschauung aussagen zu müssen. Bereits im vergangenen Jahr führte ein solches Ärzte-Register bei der Einführung der aktiven Sterbehilfe in Spanien zu Unmut unter vielen Medizinern.

So auch jetzt bei der Einführung von Schwangerschaftsabbrüchen im staatlichen Gesundheitssystem. Zumal der neue Gesetzentwurf vorsieht, dass demnächst auch minderjährige Mädchen ab 16 Jahren innerhalb der ersten 14 Wochen ohne Einwilligung und Erlaubnis ihrer Erziehungsberechtigten einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen dürfen.

Ende der dreitägigen Überlegungsphase

Von der Lockerung der spanischen Abtreibungsgesetze erhofft sich Gleichstellungsministerin Irene Montero, dass die Mädchen sicherere Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Kliniken vornehmen lassen. Weiterhin sieht das neue Gesetz vor, dass Schwangere in Zukunft nach ihrem Antrag auf einen Schwangerschaftsabbruch auch nicht mehr eine bisher gesetzlich vorgeschriebene, dreitägige Überlegungsphase einhalten müssen, um final nochmals ihren Wunsch auf eine Abtreibung darzulegen. Die „Pille danach“ wird zudem kostenfrei in staatlichen Gesundheitszentren ausgegeben und müssen nicht mehr kostenpflichtig in Apotheken erworben werden.

Mit dem neuen Gesetz wird Spanien zum ersten europäischen Land, in dem Menstruationsbeschwerden als Grund für einen Arbeitsausfall gewährt werden. Drei Tage lang können sich Frauen mit heftigen Regelbeschwerden krank melden.

Die Kosten des Arbeitsausfalls wird der Staat übernehmen. Es müsse sich aber um ernsthafte Beschwerdesymptome handeln, die ärztlich mit einer Krankschreibung verbunden sind.

Spanien wäre damit das erste Land in Europa mit einem derartigen „Menstruationsurlaub“. Eine Regelung, die in vielen asiatischen Ländern wie Japan, Südkorea, Indonesien oder Taiwan schon seit Jahrzehnten angewendet wird.

Menstruationsbeschwerden Grund für Arbeitsausfall

Das Gesetzesvorhaben der linken Regierungskoalition muss noch im Parlament abgesegnet werden, was aufgrund der wahrscheinlichen Unterstützung der katalanischen und baskischen Regionalparteien aber als gesichert gilt.

Während in den USA landesweit Demonstrationen gegen ein geplantes Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs stattfinden, welches das Grundrecht auf Abtreibungen abschaffen könnte, geht Spanien mit seinem neuen Gesetz über „reproduktive Gesundheit und sexuelle Rechte von Frauen“ eine entgegengesetzte Richtung. Selbst der deutschen Bundesregierung, die derzeit plant, Proteste von Abtreibungsgegner vor Beratungsstellen zu unterbinden, ist Spanien bereits einen Schritt voraus.

Im vergangenen Jahr verbot die Regierung in Madrid strafrechtlich die Belästigung und Einschüchterung von abtreibungswilligen Frauen wie von Ärzten und medizinischem Personal. Abtreibungsgegner, die Frauen oder Ärzte vor den Kliniken an ihrem Recht auf Abtreibung behindern, drohen in Spanien Haftstrafen von bis zu einem Jahr. Der Beschluss war eine Reaktion auf die zahlreichen Proteste vor Abtreibungskliniken.

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