Wahlkampf im Wartezimmer

SpiFa fordert Aufwertung der Fachärzte zu Primärversorgern

Der SpiFa trägt den Wahlkampf in die Wartezimmer: Ein Ende des Budgets und auf keinen Fall eine Bürgerversicherung lauten die Forderungen auf Plakaten.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Wahlkampf im Wartezimmer: Mit solchen Plakaten will der SpiFa auf Belange der Fachärzte aufmerksam machen.

Wahlkampf im Wartezimmer: Mit solchen Plakaten will der SpiFa auf Belange der Fachärzte aufmerksam machen.

© SpiFa / fischer-cg.de / Fotolia.com / Montage: Ärzte Zeitung

BERLIN. In jedem Quartal behandeln die Fachärzte in Deutschland mehr als 71 Millionen Patienten, mehr als 90 Prozent davon in den Praxen der niedergelassenen Ärzte. Die niedergelassenen Fachärzte, so eine aktuelle Broschüre, investierten jedes Jahr rund eine Milliarde Euro in die Versorgungsstrukturen. 670.000 Arbeitsplätze hingen von den niedergelassenen Fachärzten und Psychotherapeuten ab.

Gemessen daran sieht der Vorsitzende des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa), Dr. Dirk Heinrich, seine Berufsgruppe in den Wahlprogrammen der Parteien unterrepräsentiert. "Die Fachärzte und ihre Belange tauchen dort nicht auf", sagte Heinrich am Donnerstag vor Journalisten. Das stimmt nicht ganz: Linke und FDP erwähnen die Fachärzte zwar, tun dies aber nur beiläufig.

Deshalb hat es der SpiFa nun selbst in die Hand genommen, auf die Interessen der Gebietsärzte aufmerksam zu machen. Mit einer Plakataktion in den Wartezimmern sollen die Patienten über die Forderungen ihrer Ärzte informiert werden.

Dabei geht es im Kern um zwei Punkte: Die Ärzte wollen nach 25 Jahren ein Ende der Budgetierung. "100 Prozent Honorar für 100 Prozent Leistung" heißt das auf den Plakaten. Mindestens ein Fünftel aller Leistungen würden nicht bezahlt. Dabei gelte eine ganze Reihe von Facharztgruppen auch in der Vergütungslogik der Kassen längst als Grundversorger. So erhielten Gynäkologen, Pädiater, Urologen, Internisten, HNO- und Augenärzte sowie Orthopäden, Chirurgen, Dermatologen und Ärzte der neurologischen und psychiatrischen Fächer eine Pauschale zur Förderung der fachärztlichen Grundversorgung.

Auf die Verknappung der Leistungen aufgrund der Budgetierung schieben die Fachärzte Ergebnisse der am Mittwoch vorgestellten Versichertenbefragung der KBV (die "Ärzte Zeitung" berichtete in ihrer App-Ausgabe). "Die Politik erntet, was sie gesät hat. Sie will budgetieren und wundert sich nun, dass ärztliche Leistungen endlich sind", sagte Heinrich am Donnerstag der "Ärzte Zeitung". Die Befragung hatte ergeben, dass der Anteil derer gestiegen ist, die in ihrer Wohnumgebung einen Mangel an haus- und fachärztlicher Versorgung feststellen.

Freie Arztwahl und auf keinen Fall die Einführung einer Bürgerversicherung machen den zweiten Forderungskomplex aus, der auf den Plakaten thematisiert wird. Eine Bürgerversicherung bedeute zwangsläufig den Aufbau eines bei den Hausärzten verorteten "Gatekeeper-Systems", in dem der Hausarzt den Pfad des Patienten durch das System maßgeblich festlege. Jeden Tag suchten mehrere Millionen Patienten einen Facharzt auf. "Wenn alle, die Ohrensausen oder ein Brennen beim Wasserlassen verspürten, den Hausarzt anlaufen würden, bräche das System zusammen", warnte Heinrich. Haus- und Fachärzte sollten daher als Primärversorger gleichgestellt werden. "Gegen die Bürgerversicherung!" und "Freie Entscheidung für freie Bürger!" lauten die beiden Slogans , die sich auf den Wartezimmerplakaten finden.

Als Wahlempfehlung will Heinrich die Aktion nicht verstanden wissen. Von den derzeit im Bundestag vertretenen Parteien propagieren SPD, Linke und Grüne eine Bürgerversicherung. CDU und CSU sprechen sich dagegen aus, ebenso die nicht im Parlament vertretene FDP.

10 Plakate für das Wartezimmer hat der SpiFa entworfen und an Fachärzte versendet. Die Motive sind im Web einzusehen und zu bestellen:

www.tinyurl.com/y8b5vdya

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Kommentare
Dr. Uwe Wolfgang Popert 03.09.201701:02 Uhr

Keine 110 Prozent Honorar für 50 Prozent Leistung!

Der Spifa hätte besser den Mund nicht so voll genommen: Nach der aktuellen Erhebung des statistischen Bundesamtes erarbeiten z.B. Orthopäden und Hautärzte nur noch die Hälfte ihres Einkommens mit Kassenpatienten - offensichtlich verbringen sie einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit nicht sinnvollen, aber gut bezahlten anderen Tätigkeiten. Die 15% Privatpatienten erklären das Defizit nicht. Und doch erhalten Fachärzte von den KVen mehr als Hausärzte.
Wie kann man ernsthaft für 50% der Leistung 110% Honorar fordern?
Anders herum wird ein Schuh daraus - wir brauchen für die Versorgung der Bevölkerung offensichtlich nur 2/3 der Fachärzte!
Auch als Hausärzte sind die übrigen Ein-Organ-Ärzte leider kaum geeignet. Als Primärärzte haben sie ja noch nicht einmal in ihrem eigenen Fachbereich gearbeitet - sie wurden ja von wochen- oder monatelangen Wartezeiten geschützt. Und als Hausärzte müssten sie auch noch in allen anderen Organsystemen fit sein.
Wir brauchen stattdessen in den nächsten 5-10 Jahren 1/3 des noch ausbildbaren ärztlichen Nachwuchses, wenn wir die jetzige Zahl von Hausärzten erhalten und die Primärversorgung erhalten wollen!
100 Prozent Honorar nur für 100 Prozent Leistung!

Günther Binnewies 02.09.201712:17 Uhr

Freie Fachärztewahl?

Wer – SpiFa, LÄK''n, KV''en, … (SVO) – setzt sich denn einmal strukturell für den Mangel an FA''en für Infektiologie ein? Wie lange müssen Patienten mit (vermeintlich leicht behandelbaren) einheimischen Infektionen (z.B. ICD-10: A-69.2 mit etlichen diversen differentialdiagnostisch auffälligen, nicht erkannten – Beispiele: MS, ALS, unspezifischen, somatoformen Störungen: AWMF 051.001: „Mein Arzt findet nichts“ … –, bagatellisierten Symptomen) noch ausharren, bis nach 35 Jahren (!) – zunehmend Selbstzahler – , endlich einmal Abhilfe geschaffen werden kann!? – um ihren verdienten Honoraren gerecht zu werden. Die Schlachten werden vorwiegend auf dem eigenen Spielfeld ausgetragen. Gemeinsam Klug Entscheiden (GKE) ist in den meisten Fachgesellschaften des „Gemeinsamen“ verlustig gegangen.

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