Frankreich
Streik und viel Ärger um Ärztehonorare
Niedergelassene Chirurgen gehen auf die Straße - und verpassen ihren Interessenverbänden eine Ohrfeige.
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So kämpften sie schon vor vielen Jahren, so kämpfen sie auch in diesen Tagen wieder: Ein Teil der französischen Ärzteschaft protestiert.
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PARIS. Seit Montag streiken in Frankreich Hunderte von niedergelassenen Chirurgen, Gynäkologen und Anästhesisten. Sie pochen auf das Recht, ihre Honorare weiter wie bisher selbst festlegen zu dürfen.
In fast 70 Prozent aller Privatkliniken mussten inzwischen viele Operationen verschoben werden, und am Mittwoch war eine nationale Demonstration in Paris geplant.
Dieser Streit ist für die Regierung und für die etablierten Ärzteverbände eine Niederlage. Denn vor einigen Wochen hatten sie das Problem der sogenannten "Honorarüberschreitungen" vertraglich geregelt.
In Frankreich darf rund jeder vierte niedergelassene Arzt höhere Honorare als die von der Krankenversicherung festgelegten Gebühren abrechnen, wenn seine Tätigkeit oder seine Praxisorganisation besonders hohe Kosten verursacht.
In diesem sogenannten "zweiten Sektor" arbeiten vor allem niedergelassene Chirurgen, die zum gesetzlichen Tarif ihre Praxen nicht finanzieren könnten.
Patienten müssen selbst zuzahlen
Für eine einfache Konsultation werden zum Beispiel 23 Euro bezahlt, und für eine Blinddarmoperation bekommt ein Chirurg 195 Euro.
Diese gesetzlichen Gebühren sind so niedrig, dass die meisten Chirurgen mindestens das doppelte, manchmal auch weitaus mehr, als "Überschreitungen" verlangen müssen.
Einige Ärzte sind aber zu weit gegangen. Sie verfünffachten oder verzehnfachten den offiziellen Tarif. Das führte in den letzten Jahren zu vielen Skandalen. Das Ansehen der Mediziner des zweiten Sektors wurde ruiniert.
Auf jeden Fall müssen Patienten den Unterschied zwischen dem von der Kasse bezahlten Honorar und der vom Arzt verlangten Gebühr selbst zahlen - egal ob niedrig oder viel.
Das schafft massive Probleme, insbesondere, wenn diese Patienten keine gute zusätzliche Privatversicherung haben, die den Differenzbetrag oder zumindest einen Teil davon übernimmt.
Aus diesem Grund hatte die sozialistische Regierung eine Systemänderung versprochen. Als Gegenleistung für eine allgemeine Honorarerhöhung sollten Ärzte im zweiten Sektor künftig ihre Überschreitungen begrenzen oder völlig streichen.
Abkommen unterzeichnet
Ende Oktober unterschrieben nach langen Verhandlungen Ärzteverbände und Regierung ein entsprechendes Abkommen.
Danach sollen Ärzte im zweiten Sektor nur noch maximal 150 Prozent der gesetzlichen Gebühren als Überschreitung abrechnen können. Im Gegenzug sollen sie pro Fall fünf Euro mehr bekommen.
Diese Regelung kann sich zwar für Ärzte lohnen, die keine Chirurgen sind und wenig technische Leistungen erbringen.
Absurd ist sie aber für Chirurgen und Ärzte, die im OP oder mit sehr teuren Geräten arbeiten und die sich teuer versichern müssen: Der Straßburger Chirurg Dr. Bertrand Claudon etwa erklärt, dass die 15.000 niedergelassenen Chirurgen und Anästhesisten, die in Frankreich rund 60 Prozent aller chirurgischen Operationen leisten, wegen der neuen Regelung einen drastischen Rückgang ihres Einkommens und ihrer Investitionsmöglichkeiten nicht verhindern können.