Baden-Württemberg
Strukturierte Versorgung funktioniert
Der Evaluationsbericht zur hausarztzentrierten Versorgung in Baden-Württemberg belegt den Erfolg der Kooperation. Was waren die Erfolgsfaktoren?
Veröffentlicht:STUTTGART. Billiger und trotzdem besser? Das geht nicht! - Doch, das geht!
Was vor acht Jahren zunächst als gewagte Hypothese galt, was über lange Zeit von strukturkonservativen Verfechtern der einheitlichen und gemeinsamen Kollektivvertragsversorgung bekämpft und zeitweilig von maßgeblichen Gesundheitspolitikern der letzten Legislaturperiode mit Hürden behindert wurde, hat sich nun nachweislich zu einem Erfolgsmodell entwickelt: Die hausarztzentrierte Versorgung nach Paragraf 73b in Kombination mit Facharztverträgen nach Paragraf 73c und neuerdings 140a der AOK Baden-Württemberg.
Win-Win für Patienten, Ärzte und AOK
Entstanden ist eine Win-Win-Situation: für chronisch kranke Patienten, die nachweislich besser versorgt werden, wie Diabetiker, die weniger schwere Langzeitkomplikationen haben als Patienten gleichen Alters und mit gleicher Morbiditätsstruktur in der Regelversorgung.
Auch für Haus- und Fachärzte gibt es ein positives Ergebnis: Sie erhalten ein besseres und kalkulierbares Honorar ohne Fallzahlbegrenzung und andere Deckelungen und deren Berufszufriedenheit hat sich in kooperativen Strukturen deutlich verbessert.
Schließlich sind die AOK Baden-Württemberg im Vorteil, die unter dem Strich aufgrund vermiedener Hospitalisierung und rationalisierter Arzneimitteltherapie mit 530 Millionen Euro in Haus-und Facharztverträgen rund 35 Millionen Euro weniger ausgibt als in der Regelversorgung.
Dritter Evaluationsbericht nach acht Jahren
Verglichen wurden dabei 861.000 HzV-Versicherte mit 730.000 Versicherten der Regelversorgung, und zwar alters-, geschlechts-, migrations- und morbiditätsadjustiert.
Grundsätzlich gilt: HzV-Versicherte sind im Schnitt 15 Jahre älter als der AOK-Durchschnitt, das heißt: Die Zielgruppe der chronisch Kranken wird erreicht. HzV-Patienten werden von Hausärzten intensiver betreut als die Kontrollgruppe, aber sie haben weniger unkoordinierte Facharztinanspruchnahme. Weitere Ergebnisse:
- Weniger vermeidbare Krankenhauseinweisungen: 15 zu 16,1 je hundert Versicherte;
- Geringere Hospitalisierungsrate: 22,2 zu 26,1 je hundert Versicherte.
- Niedrigere Wiedereinweisungsrate nach vier Wochen: 17 zu 19,23 je hundert Versicherte.
- Geringere stationärer Fallkosten: 5897 zu 6399 Euro.
- Geringere Gesamtversorgungskosten: 3877 zu 4026 Euro je Versicherten.
Gesundheitszustand der HzV-Versicherten besser als der der Kontrollgruppe
Dabei ist der Gesundheitszustand der HzV-Versicherten im Vergleich zur Kontrollgruppe besser: Die geringere Rate an Komplikationen bei Diabetikern - dialysepflichtige Nephropathie, Erblindungen, Amputationen, Herzinfarkt und Schlaganfall - zeigt dies. Ebenso die um etwa zwei Prozentpunkte niedrigere Hospitalisierungsrate bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz.
Das ist nicht zuletzt auch das Ergebnis wesentlich höherer Teilnahmeraten an Disease-Management-Programmen, der intensiven und verpflichtenden Arbeit in Qualitäts- und Pharmakotherapiezirkeln und eine stärkere Orientierung an Leitlinien.
Und nicht zuletzt Effekt einer koordinierten an verbindlichen Diagnose- und Behandlungspfaden gebundenen Kooperation von Haus- und Fachärzten mit klaren Arbeitsteilungen und Kommunikationspflichten.
Kein Laborversuch, kein Modell auf der grünen Wiese
Was auf der Bundesebene mit dem Positionspapier "KBV 2020" ein wohl unrealistisches und überfrachtetes Fernziel ist, das ist in Baden-Württemberg gelungen: eine strukturierte, ressourcensparende flächendeckende Alternativversorgung für die alternde Gesellschaft. Kein Laborversuch, kein Modell auf der grünen Wiese.
Warum ist dies in Baden-Württemberg gelungen? Erstens, weil gegebenes Recht, insbesondere zu den Selektivverträgen konsequent und eigenverantwortlich genutzt worden ist.
Zweitens, weil eine große Zahl von Vertragsärzten mit ihrer KV massiv unzufrieden war. Drittens, weil Hausärzteverband und Medi gut aufgestellt und willens waren, als Alternative zur KV als Vertragspartner zur Verfügung zu stehen.
Nicht zuletzt ist es aber auch die Bereitschaft des AOK-Chefs Christopher Hermann, in ambulante Versorgung zu investieren und mit Ausdauer einen langen Weg zu beschreiten. Eigenverantwortung und Gestaltungswille haben sich hier gepaart - und das findet man so nicht überall in der Republik.