DANK
Tabakkontrollstrategie: Wissenschaftsallianz nimmt Lauterbach in die Pflicht
Aus einem zahnlosen Tiger soll eine kraftstrotzende Strategie werden, um die Rauchprävalenz zu senken. Das fordern Wissenschaftler und drängen auf eine Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040.
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Ob das Qualmbild die junge Dame dazu bewegen kann, sich dauerhaft von der Kippe zu verabschieden?
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Berlin/Frankfurt. Aus Sicht der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) herrscht beim Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Koalition im Bundestag mit Blick auf das Thema Tabakkontrolle noch „viel Luft nach oben“ – rund 18 Prozent der Erwachsenen greifen zur Kippe. Daher nimmt das Medizin- und Wissenschaftsbündnis den neuen SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in die Pflicht und drängt auf eine Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040.
Die Große Koalition mit Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn (CDU) wollte die in einem im Mai unter Federführung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in einem gemeinsamen Strategiepapier von 50 Wissenschaftsorganisationen angeregten Maßnahmen prüfen. Das Strategiepapier referenzierte unter anderem auf das seitens der Europäischen Kommission im Zuge des im Februar verabschiedeten Europäischen Krebsplans ausgerufene Ziel, den Tabakkonsum auf weniger als fünf Prozent der Bevölkerung bis zum Jahr 2040 zu reduzieren.
Deutschland hinkt nach Auffassung der DANK im internationalen Vergleich meilenweit hinterher. Nur durch eine verbindliche, ressortübergreifende Tabakkontrollstrategie sei das auch von der EU-Kommission ausgegebene Ziel erreichbar. Die von der Ampel geplanten Verschärfungen bei Marketing und Sponsoring reichten aus Sicht der Wissenschaftler bei Weitem nicht aus.
Klares Bekenntnis eingefordert
„Jede fünfte neue Krebserkrankung ist durch Rauchen verursacht. Rund 350 Menschen sterben täglich an den Folgen des Rauchens. Deutschland ist im europäischen Vergleich Schlusslicht hinsichtlich der Senkung des Tabakkonsums. Leider findet sich im Koalitionsvertrag kein klares Bekenntnis dafür, diesen traurigen Zustand zu verändern“, moniert Katrin Schaller, kommissarische Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am DKFZ.
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Zu den von Lauterbach zu forcierenden Maßnahmen gehören laut DANK neben einem Werbeverbot am Verkaufsort für Tabak, aber auch E-Zigaretten und Tabakerhitzer, sowie auch ein Auslageverbot (Display Ban), standardisierte Verpackungen, spürbare Erhöhungen der Tabaksteuer und ein Verbot von Verkaufsautomaten.
Positiv sei, dass im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ein Nationaler Präventionsplan vorgesehen ist. Auch möchte die Ampel-Koalition die Regelungen für Marketing und Sponsoring „verschärfen“.
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Dennoch blieben die getroffenen Vereinbarungen weit hinter den Wahlversprechen von SPD und Grünen zurück. Die SPD hatte vor der Wahl bekräftigt, dass es „einem ganzheitlichen Vorgehen zur weiteren Reduzierung des Tabakkonsums bedarf (…), da die gesellschaftlichen Kosten des Rauchens weiter auf der Hand liegen.“
Die Grünen hatten versprochen, dass eine „wirksame Tabakprävention“ einen „hohen Stellenwert“ habe. In den tatsächlichen Ergebnissen des Koalitionsvertrags spiegelten sich diese Versprechen nicht wider, kritisieren die Medizin- und Wissenschaftsverbände.
Plädoyer für Cannabis ausschließlich als Dampf- und Erhitzerlösungen
Am Dienstag meldete sich nun auch der Suchtforscher Professor Heino Stöver zu Wort, der sowohl die EU als auch das DKFZ und seine Mitstreiter immer wieder dafür rügt, dass bei ihren Strategien zur Tabakkontrolle dem Aspekt der Schadensminimierung (Tobacco Harm Reduction/THR) keinen Raum eingeräumt werde. Der Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences plädiert dafür, wenigstens in puncto legalisiertem Cannabis von Anfang an den aus seiner Sicht richtigen Kurs zu fahren – den THR-orientierten.
„Nachdem sich die Ampelparteien in ihrem Koalitionsvertrag auf die Legalisierung von Cannabis mit dem Wirkstoff THC verständigt haben, ist wahrscheinlich schon im kommenden Jahr davon auszugehen, dass die legale Beschaffung und der Konsum möglich sein werden“, prognostiziert Stöver. Und ergänzt: „In den Ländern, in denen THC bereits legal ist, ist es akzeptiert, THC per E-Zigarette oder Erhitzer – sogenannte ‚Vaporizer‘ – zu konsumieren. Diese Varianten sollten auch von den Konsument:innen in Deutschland verwendet werden, damit so wenig Schadstoffe wie möglich aufgenommen werden.“