Intransparentes Testgeschehen

KVen steigen bei Corona-Bürgertests aus

Die Kassenärztlichen Vereinigungen wollen Corona-Bürgertests nicht mehr abrechnen, weil sie eine „eklatante Betrugsproblematik“ durch ein intransparentes Testgeschehen sehen. Eine KV befindet sich bereits im Fokus der Staatsanwaltschaft.

Veröffentlicht: | aktualisiert:
Passanten stehen vor einem Corona-Testcenter in Hamburg. Nicht nur mit den kostenlosen Bürgertests ist nun Schluss. Die KVen weigern sich, Bürgertestungen künftig abzurechnen.

Passanten stehen vor einem Corona-Testcenter in Hamburg. Nicht nur mit den kostenlosen Bürgertests ist nun Schluss. Die KVen weigern sich, Bürgertestungen künftig abzurechnen.

© Marcus Brandt / dpa

Berlin. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) machen ernst und ziehen sich als Dienstleisterinnen aus den Corona-Bürgertests zurück.

„Nach sehr sorgfältiger Prüfung der neuen Test-Verordnung müssen wir Ihnen vor dem Hintergrund der jetzt schon bestehenden, eklatanten Betrugsproblematik mitteilen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Bürgertestungen zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen können“, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben der KVen an Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD).

Das Schreiben liegt der Ärzte Zeitung vor. Es trägt das Datum 30. Juni. Zu diesem Datum haben die KVen ihre Dienstleistungen eingestellt.

Gleichzeitig ist zu diesem Datum die neue Testverordnung in Kraft getreten. Die KVen bieten dem Minister „weitere Gespräche in dieser Thematik“ an.

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Die KVen schicken voraus, dass das Ministerium ihnen lediglich vier Stunden und 15 Minuten eingeräumt habe, die neue Verordnung zu kommentieren. Auf Einwände habe das Ministerium anschließend nicht reagiert.

Hintergrund des Ausstiegs sind Befürchtungen bei den KVen, die Anspruchsvoraussetzungen für Bürgertestungen nicht rechtssicher prüfen zu können. Schon die bisherige Praxis habe Betrugsfälle nicht verhindern können, heißt es in dem Schreiben.

Für die KVen ergeben sich daraus manifeste Gefahren. Bereits am Mittwochabend hatten die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen eine KV wegen Auszahlungen an Bürgertestanbieter berichtet. Dabei handelt es sich um die KV Berlin.

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Erschüttertes Vertrauen in die Teststellen

Nach wie vor würden Teststellen nicht flächendeckend auf Eignung und Zuverlässigkeit überprüft, beklagen sich die KVen in ihrem Brief beim Gesundheitsminister. Die neue Testverordnung sorge nun für eine Vielzahl von bislang nicht bestehenden Anspruchsvoraussetzungen wie der Besuch von Veranstaltungen in Innenräumen am Tag der Testung und der Besuch von Personen im Alter ab 60 Jahren.

Die Einhaltung dieser Vorgaben zu prüfen, sei den KVen nicht möglich. „Aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit können wir nicht darauf vertrauen, dass alle Teststellen die Leistungen korrekt erbringen werden“, heißt es in dem Schreiben.

Im Ergebnis könnten es die KVen daher nicht verantworten, sehenden Auges Auszahlungen auf Abrechnungen zu leisten, deren Richtigkeit sie „nicht ansatzweise“ nachverfolgen könnten. (af)

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Kommentare
Dr. Jens Wasserberg 01.07.202204:36 Uhr

Eigen- vor Fremdschutz

Das Land Berlin hat die dortige KV mit einem juristischen Anfangsverdacht belegt, die Testzentren nicht intensiv genug kontrolliert zu haben. Nun ist jedem bekannt, dass die über eine Milliarde Euro pro Monat für die Testzentren zu einem wohl nicht unerheblichen Teil durch innovative Scheinkundenabrechnung aus dem Fenster geworfen werden. Für unsere MFA, seit über einem Jahr an der echten Coronafront kämpfend, ist kein Cent da, für unbegrenzte Abrechnungsmöglichkeiten ohne jedwede Kontrolle in Testzentren schon ...
Erst jetzt, wo die Vorstände direkt juristisch belangt werden könnten, reagiert man auf diese maximale Verschwendung von Steuergeldern und wehrt sich gegen eine unkontrollierbare, durch angebliche Datenschutzmauern geschützte Konstruktion, die sich so wohl kein anderes Land der Welt leistet. Ausgerechnet die KVen, die penibel jeden Schnellverband in den Praxen kontrollieren müssen, sind zwangsweise mitverantwortlich für ein Milliardengrab, in dem aktuell mehr Geld verschwindet, als für die gesamte hausärztliche Versorgung in Deutschland aufgewendet wird.
Ein Skandal schon seit Monaten, an dem sich die KVen bisher beteiligt haben mit der Botschaft: Wir kontrollieren die Ärzteschaft, die Testzentren müssen wir mit größeren Summen ohne eine Kontrolle laufen lassen.
Wo bleibt übrigens der Hinweis an die Ärzteschaft, sich nicht an der Ausstellung von Freistellungsbescheinigungen zu beteiligen, da dies zumeist ebenso unkontrollierbar ist und ein mögliches Haftungsrisiko für die Praxen darstellt als reines Gefälligkeitsgutachten?
Es wäre schon früher zwingend gewesen, sich diesem anrüchigen Testzentrengewerbe zu entziehen. Jetzt geht man diesen Schritt, weil die persönliche Haftung für die Vorstände droht. Man sollte dies aktuell nicht mit echter Interessenvertretung der niedergelassenen Ärzte- und Psychotherapeutenschaft verwechseln ...

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