Der Standpunkt
Trügerische Vertragsruhe
Die Hausarztverträge in Bayern bescheren den Ärzten nicht die erhoffte bessere Honorierung, dafür aber jede Menge DMP. Das muss kein Nachteil sein, meint Jürgen Stoschek. Dennoch bleibt ein Manko.
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Für Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung(en) ständig medizinische Leistungen in Anspruch nehmen müssen, ist der Hausarzt in den meisten Fällen erster Ansprechpartner. In einer alternden Gesellschaft wird sich daran kaum etwas ändern.
Im Gegenteil. Mit der zu erwartenden weiteren Zunahme chronischer Erkrankungen wird der Hausarzt als Generalist im Gesundheitswesen, der die Versorgung seiner Patienten koordiniert, mehr denn je gefragt sein.
Auf diese Herausforderung sollen die Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) eine Antwort geben. In Baden-Württemberg gibt es seit Mai 2008 mit der dortigen AOK einen frei vereinbarten Vertrag, der den Anspruch erhebt, den Anforderungen des demografischen Wandels an die medizinische Versorgung gerecht zu werden.
Andernorts haben sich die Kassen jedoch schwer getan, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Für Nordrhein-Westfalen und Hessen liegen nun Schiedsentscheidungen vor, mit denen Verträge nach Paragraf 73b SGB V festgesetzt werden. Und auch in Bayern, wo es bis zum gescheiterten Systemumstieg im Dezember 2010 bereits Hausarztverträge gab, hatten Schiedspersonen das letzte Wort.
Ein Grund dafür ist der Morbi-RSA, der die Kassen zwingt, bei der Versorgung ihrer Versicherten mehr denn je aufs Geld zu achten. Das wirkt sich auch auf die Hausarztverträge aus. Deutlich wird dies in den geschiedsten bayerischen HzV-Verträgen, die einen Schwerpunkt auf eine bessere Versorgung von chronisch Kranken, von alten Menschen und Palliativpatienten legen.
Während der Hausärzteverband die HzV-Verträge vor allem dafür lobt, dass damit eine eigene Tarifhoheit - also quasi ein gewerkschaftliches Ziel - erreicht werde, sehen sich die Kassen längst in der Rolle des Players: Gefordert hatten die Hausärzte eine bessere Honorierung ihrer hausärztlichen Tätigkeit.
Bekommen haben sie jetzt Hausarztverträge, die jede Menge Disease Management enthalten. Das muss kein Nachteil sein. Denn dadurch kommen die hausärztlichen Versorgerpraxen in eine herausgehobene Position.
Personell und technisch gut ausgestattete Praxen werden wohl am ehesten in der Lage sein, die Herausforderungen zu meistern. Insofern können die Hausarztverträge dazu beitragen, notwendige strukturelle Veränderungen in der hausärztlichen Versorgung zu fördern.
Ein Manko bleibt aber: Nach dem Willen des Gesetzgebers ist Mitte 2014 Bilanz zu ziehen. Unter versorgungspolitischen Aspekten wird das vernünftigerweise aber kaum möglich sein, so dass spätestens dann neue Auseinandersetzungen über den Sinn der HzV zu erwarten sind.
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