Kommunikation

Und täglich grüßt der Patient

Zeit haben, geduldig zuhören, verstehen: Der Ärztetag diskutiert das Thema Kommunikation und fordert Impulse für die Aus- und Weiterbildung.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Permanente Herausforderung: Arzt und Patient im Dialog.

Permanente Herausforderung: Arzt und Patient im Dialog.

© Mathias Ernert

FRANKFURT/MAIN. Die einen erscheinen in der Praxis mit stapelweise aus dem Internet ausgedruckten konfusen medizinischen Texten, in denen ihr vermeintlich persönliches Krankheitsbild beschrieben wird und verlangen vom Arzt Aufklärung.

Die anderen werden im ärztlichen Notdienst eingeliefert und sind nicht in der Lage, auf akustische Signale zu reagieren, weil - wie sich herausstellt - ihr Hörgerät vor Jahren kaputt gegangen ist und sie danach beschlossen haben, diese Tatsache zu ignorieren.

Wie soll mit diesen Patienten eine auch nur halbwegs befriedigende Kommunikation funktionieren?

"Keiner hat überlebt"

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Der Ärztetag diskutierte über das zentrale Thema Kommunikation und schnell wurde deutlich: Mögen einzelne Patienten den Ärzten das Leben noch so schwer machen. Auch Ärzte selbst haben bei diesem Thema oft Defizite.

"Solche wie Sie haben wir hier alle fünf Jahre - und ich kann Ihnen sagen: Keiner von denen hat überlebt." Oder: "Da könne sie sich schon mal in Ruhe die Farbe ihres Rollstuhls aussuchen" - Beispielsätze, die in der Debatte genannt wurden und die eines deutlich machen: Wer Patienten diese Botschaften auf den Weg gibt, der hat ein gravierendes Kommunikationsproblem.

Zeitdruck im Alltag sei jedoch keine Rechtfertigung, dass eine wertschätzende und einfühlsame Grundhaltung des Arztes verloren gehen darf. Ebenso wie die Bereitschaft, Patienten ihre Anliegen ohne Unterbrechung vortragen zu lassen, sagte Rudolf Henke, Präsident der Kammer Nordrhein.

Die Realität sieht anders aus. Der Brandenburger Allgemeinmediziner Professor Ulrich Schwantes erläuterte als Referent Ergebnisse von Studien.

Danach unterbrechen Ärzte ihre Patienten im Durchschnitt nach 11 bis 24 Sekunden. Ließe der Arzt den Patienten ausreden, brauche dieser durchschnittlich 60 bis 100 Sekunden, um alles zu sagen, was ihm wichtig erscheine, so Schwantes. Der Ärztetag sprach sich dafür aus, die Kommunikation mit Patienten stärker in die Aus- und Weiterbildung von Ärzten zu integrieren.

Die Medizinischen Fakultäten müssten die in der Approbationsordnung für Ärzte festgelegte Kompetenzentwicklung in der ärztlichen Gesprächsführung konsequent ausbauen. Ärztliche Kommunikation müsse durch geeignete Übungssituationen trainiert werden können, heißt es in der Entschließung.

Die interkulturelle und sprachliche Sensibilität müsse auch in der ärztlichen Weiter- und Fortbildung kontinuierlich gefördert werden, heißt es weiter. Der Ärztetag begrüßte die Entwicklung eines Curriculums der Bundesärztekammer zur ärztlichen Gesprächsführung, das für die Fort- und Weiterbildung von Ärzten aller Fachrichtungen genutzt .

"Nicht mit dem Hammer!"

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"Wir müssen Zeit haben, zuhören, verstehen, Verständigung aufbauen.", sagte Kammerpräsident Theo Windhorst aus Westfalen-Lippe. "Kommunikation kann man nicht mit dem Hammer lernen."

"Man kann Vertrauen in Sekunden kaputtmachen, es braucht Jahre, es wieder aufzubauen,," ergänzte die Delegierte Dr. Eva Müller-Dannecker aus Berlin.

Das Thema Kommunikation ist uralt und beschäftigte schon Ärzte vor mehr als 150 Jahren. Schwantes wies auf einen Schlüsselsatz in der Gründungsschrift der American Medical Association von 1847 hin, der das Problem auf den Punkt bringt: "Das Leben eines Patienten kann nicht nur durch die Handlungen eines Arztes verkürzt werden, sondern auch durch seine Worte oder sein Verhalten".

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Kommentare
Lilia Renner 15.05.201522:51 Uhr

Und wo ist die Grenze?

Natürlich ist der Beispiel im Text unwürdig, aber das ist doch eine Ausnahme, wieso diskutieren wir erst nicht darüber, warum hat Schwantes-Studie schon Bestand, wieso begegnet er uns nicht auf einer Augenhöhe, wie kann man diese Studie objektiv überhaupt erfassen. Meistens gehören 2 dazu.
Wo ist die Grenze vom "Ernstnehmen"?
Sogar Lufthansa hat Ihre Ansprache :"Wir erfüllen Ihre berechtigte Ansprüche,"
Und der Patient hat teilweise unrealistische Ansprüche: Ein Junger Pat mit Grippe beschwerte sich , dass er nicht in 2 Tagen gesund wurde, und dieses Jahr haben Medien auch gut aufgeklärt; eine junge Frau die wg Harnwegsinfektes an einem Tag 2 niedergelassene Hausärzte, ÄBD, Notaufnahme aufsuchte und wurde in Ihrer Vorstellung ( sofortige Heilung) nicht ernst genommen; muss man ernst nicht Pat -Beschwerden ausfinden, statt dessen sich die Krankheiten der Kollegen anhören. Bald kommt es, dass wir nur zuhören und reden, ist das nicht die andere Berufsgruppe: Soziologen, Psychotherapeuten?
Wer nimmt mich ernst, ich habe ja Medizin studiert, um zu heilen , und es macht auch immer noch Spaß u.a. Diabetes , Hypertonie zu diagnostizieren, einstellen, Wunde zu versorgen.


Dr. Wolfgang P. Bayerl 15.05.201520:23 Uhr

das mit der Augenhöhe scheint irgendwie besonders wichtig zu sein,

ich dachte bisher das wäre für nur Augenärzte wichtig, hab ich was dazugelernt.
Nun ehrlich gesagt, hab ich mich recht oft auch aufs Krankenbett gesetzt, das haben mir aber die Hygiene-Schwestern verboten, die haben das vom Verwaltungsleiter und der vom Hygieniker, den ich noch nicht kennen gelernt habe. Schlechte Kommunikation.

Claus F. Dieterle 15.05.201512:07 Uhr

Die "Goldene Regel"

"Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt..." aus Matthäus 7,12 sollte auch hier angewandt werden.

Ulrich Welzel 15.05.201511:03 Uhr

Mangelnde Wertschätzung am Krankenbett!?

Vor zwei Jahren lag ich 10 Tage im Krankenhaus. Der Spezialist (60 Jahre) hat nur im Vorgespräch zu OP ein Gespräch auf Augenhöhe geführt.

Nach der OP durfte ich erfahren, dass ich als Patient nur eine Nummer bin. Mein Name wurde in 10 Tagen nur fünf Mal genannt, obwohl er vor der Tür, am Bett und in den Krankenakten steht.

In meinen Kommunikationstrainings zum „Umgang mit existenziellen Krisen des Mitarbeiters“ empfehle ich jedem Vorstand, Geschäftsführer und Führungskraft in der Industrie und Handel:
1. Wenn Sie einem Mitarbeiter/Kunden im Rollstuhl begegnen, gehen Sie bei der Kommunikation in die Hocke.
2. Wer Sie einen Krankenbesuch machen, und der Betroffene im Bett liegt, holen Sie sich einen Stuhl ans Bett, damit Sie auf Augenhöhe sitzen.
3. Begegnen Sie einem Kind, gehen Sie in die Hocke.
All die aufgezählten Kleinigkeiten drücken Wertschätzung aus. Die Zeit hat jeder Mediziner.

Nach dem Krankenhausaufenthalt fragte ich den Palliativmediziner Dr. med. Martin Fuchs zur Patientenkommunikation. Er antwortete mit einem Vergleich: „Herr Welzel, was ist Ihnen an Ihrem Automechaniker wichtig? Soll er Ihr Auto perfekt reparieren oder mit Ihnen reden? Der Automechaniker wird alles tun, Ihr Auto wieder in Gang zu setzen. Reden hat ihm keiner beigebracht. Und genauso verhält es sich mit uns Ärzten.


Dr. Michael Traub 15.05.201508:41 Uhr

Folgen kostenloser Kommunikation

Nicht falsches Kommunikationsverhalten, nein, unser ausbeutbares Sozialsystem alimentiert die
weltweit häufigsten Arzt-Patienten-Kontakte. Statt Nabelschau genügt ein Blick über die Grenzen,
um das zu belegen. Aber das wäre Arbeit für unsere Selbstverwaltungsorgane, deswegen ist es
einfacher, das Problem auf die einzelnen Ärzte herunterzubrechen.

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