Nationaler Aktionsplan

Union fordert Bundesbeauftragten für Einsamkeit

Fehlende soziale Kontakte, geschlossene Begegnungsstätten, kultureller Lockdown: Corona macht die Einsamkeit von vielen noch größer. Das ruft die Politik auf den Plan. Die Union will auch Not- und Hausärzte in die Pflicht nehmen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Einsamkeit trifft nicht nur, aber vor allem Ältere: Die Unionsfraktion legt daher Vorschläge für eine nationale Strategie gegen Vereinsamung vor.

Einsamkeit trifft nicht nur, aber vor allem Ältere: Die Unionsfraktion legt daher Vorschläge für eine nationale Strategie gegen Vereinsamung vor.

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Berlin. Nach SPD und FDP sagen auch CDU und CSU der Vereinsamung den Kampf an. „Wir wollen eine nationale Strategie, die zielgerichtet Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention von Einsamkeit formuliert, ihre Umsetzung begleitet, evaluiert und steuert“, heißt es in einem Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Darin fordert die Union einen auf Bundesebene angesiedelten Einsamkeitsbeauftragten. Dieser soll die Strategie gegen Vereinsamung über Ressorts und Zuständigkeitsebenen hinweg koordinieren. Ein nationaler Aktionsplan soll darüber hinaus „Impulse für das Engagement der Zivilgesellschaft, von Unternehmen, sozialen Trägern, Ländern, Kommunen und anderen Akteuren geben und Schritte des Bundes initiieren“. Ausgangspunkt sollen Erfahrungen aus der Corona-Pandemie sein.

Hausarztpraxen als Schnittstelle

Hausärzte spielen in dem Unions-Konzept eine wichtige Rolle. Sie sollten rechtlich befugt sein, „Kontaktdaten einsamer Menschen weiterzugeben, die ohne medizinischen Grund die Sprechstunde besuchen, sofern diese zustimmen“. Praxisteams könnten als „Schnittstelle“ fungieren und Patienten über Netzwerke informieren, die sich gegen soziale Isolation engagieren.

Auch Notfallärzte seien stärker für das Thema Einsamkeit zu sensibilisieren. Wenn der Wunsch nach menschlichem Kontakt „offensichtlicher“ Anlass für einen Notruf sei, sollten Notärzte ihre Möglichkeit nutzen, mit Erlaubnis der Betroffenen deren Kontaktdaten weiterzuleiten. Dasselbe gelte für Krankenhausärzte, die auf Patienten träfen, deren Diagnose auf Vereinsamung schließen lasse. Dazu gehörten etwa Dehydrierung, Alkoholismus, Demenz oder unversorgte Wunden.

Strategien gegen Vereinsamung und Isolation sollen nach den Vorstellungen der Union stärker erforscht werden. Auf kommunaler Ebene sollen zu diesem Zweck Daten zur Vereinsamung statistisch erhoben und ausgewertet werden. In den Niederlanden werde dies bereits getan, heißt es.

Mithilfe einer bundesweiten Kampagne soll für Vereinsamung sensibilisiert und auf Angebote für mehr Zusammenhalt aufmerksam gemacht werden. „Das Tabu, über Einsamkeit zu sprechen, muss gebrochen werden“, fordern CDU/CSU. Dazu soll auch ein Austausch mit der Offensive Psychische Gesundheit erfolgen.

Mehr hinschauen und handeln

„Wer schon vor der Corona-Pandemie wenige Kontakte hatte, hat jetzt oft niemanden mehr zum Reden“, sagte der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Marcus Weinberg. Viele ältere Menschen seien verunsichert und trauten sich kaum noch raus. Kirchgemeinden, Vereine, Unternehmen und Hausgemeinschaften seien aufgerufen, genau hinzuschauen, wo Vereinsamung drohe. Zum Beispiel mit Telefonanrufen oder kurzen Kontakte an der Haustür – „mit Abstand und medizinischer Maske“.

Die Berichterstatterin für Einsamkeit in der Union, Katharina Landgraf, betonte, zentrales Ziel einer Strategie gegen Einsamkeit müsse sein, Menschen bis ins hohe Alter zu unterstützen, „selbstbestimmt zu leben und an der Gesellschaft teilzuhaben“.

Im Koalitionsvertrag von 2018 haben sich Union und SPD darauf verständigt, gegen Vereinsamung vorgehen zu wollen. „Angesichts einer zunehmend individualisierten, mobilen und digitalen Gesellschaft werden wir Strategien und Konzepte entwickeln, die Einsamkeit in allen Altersgruppen vorbeugen und Vereinsamung bekämpfen.“

Nicht der erste Vorstoß dieser Art

Zuletzt hatte die FDP einen Regierungsbeauftragten für das Thema Einsamkeit gefordert. Einsamkeit stelle einen mit dem Rauchen und der Fettleibigkeit vergleichbaren Risikofaktor für die Gesundheit dar. Auch der SPD-Gesundheitspolitiker Professor Karl Lauterbach hatte sich in der Vergangenheit für einen Einsamkeitsbeauftragten stark gemacht. Als erstes Land weltweit hatte Großbritannien 2018 eine Ministeriumsabteilung für Einsamkeit eingerichtet.

Laut Bundesregierung ist die Einsamkeitsquote bei den 45- bis 84-Jährigen in den Jahren 2011 bis 2017 um 15 Prozent gestiegen. 2017 fühlten sich demnach mehr als neun Prozent der Menschen dieser Altersklasse einsam, schreibt die Bundesregierung unter Berufung auf das Deutsche Zentrum für Altersfragen.

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