Bundestagsentscheid
Corona-Impfpflicht: Wohin geht die Reise?
Über die Corona-Impfpflicht stimmt der Bundestag am Donnerstag ab. Im Vorfeld wird um eine Parlamentsmehrheit munter gerungen. Die Union lehnt das Kompromissangebot der Ampel ab – und Hausärzte stemmen sich gegen die Zwangsberatung Ungeimpfter.
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Kommt eine Corona-Impfpflicht oder nicht? Der Bundestag stimmt am Donnerstag darüber ab.
© Sven Hoppe/dpa
Berlin/Hamburg. Die Union will auch den neuerlichen Kompromiss der Ampel für eine Corona-Impfpflicht ab 60 bei vorgeschalteter Beratung für Ungeimpfte nicht mittragen. Die Union habe über Monate versucht, gemeinsam mit der Bundesregierung einen vernünftigen Weg zur Impfpflicht zu finden, sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz im „Deutschlandfunk“ am Mittwoch.
Seine Fraktion habe einen eigenen Vorschlag präsentiert, verfüge aber über keine Mehrheit im Parlament, so Merz. Die Ampel-Koalition dagegen habe eine eigene Mehrheit, zugleich aber mehrere Vorschläge zur Impfpflicht vorgelegt, die sich teils widersprächen. Diese Widersprüche müsse die Bundesregierung nun selber auflösen, sagte Merz.
Impfberatung und Ü-60-Impfpflicht
Ampel-Politiker einigen sich auf Kompromiss zur Corona-Impfpflicht
Zugleich berichtet der „Spiegel“ (Online-Ausgabe), CDU/CSU hätten in der Sitzung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch Gesprächsbereitschaft signalisiert. Offenbar wird bis kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag am Donnerstagvormittag um einen für eine Mehrheit tragbaren Kompromissweg gerungen.
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach zeigte sich zuversichtlich, dass sich eine Mehrheit für die Impfpflicht finde. „Ich gehe davon aus, dass wir sie morgen beschließen“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch vor Journalisten. Der neue Vorschlag für Ü-60-Impfpflicht und Impfberatung sei ein „kluger Kompromiss“.
Ampel soll Widersprüche selber lösen
Am Dienstagabend hatten die Befürworter einer Impfpflicht ab 18 und die Verfechter einer für Impfpflicht für Über-50-Jährige einen gemeinsamen Kompromiss verkündet. Demnach soll ab Mai mit einer Beratungspflicht für Ungeimpfte gestartet werden; ab Oktober sollen dann alle Über-60-Jährigen einen Impfnachweis erbringen müssen.
Je nach Impfquote im Sommer und im Herbst kann diese Regelung zurückgenommen oder verschärft werden. Zudem soll mit dem Aufbau eines Impfregisters begonnen werden. Verstöße gegen die Impfauflage sollen mit Bußgeldern geahndet werden.
Die Grünen-Gesundheitspolitikern Dr. Kirsten Kappert-Gonther sprach am Mittwoch im „Deutschlandfunk“ von einem „gestuften Modell“, das einen tragbaren Kompromiss darstelle. Dass die Union den Vorschlag abermals ablehne, sei nicht rational, da dieser den Vorstellungen von CDU/CSU in vielen Punkten entgegenkomme.
Weigeldt: Lehnen verpflichtende Impfberatung klar ab
Der Deutsche Hausärzteverband wendete sich gegen eine verpflichtende Impfberatung in den Praxen. „Es ist grundsätzlich schwer vorstellbar, wie eine sinnvolle Beratung aussehen soll, wenn die Betroffenen zu dieser verpflichtet werden und eigentlich kein Interesse an ihr haben“, sagte Verbandschef Ulrich Weigeldt. Es sei nicht die Aufgabe der Hausärzte, staatlich verordnete Beratungsgespräche zu führen. „Das verträgt sich auch nicht mit dem vertrauensvollen Arzt-Patientenverhältnis“.
Überdies arbeiteten die Praxisteams nach zwei Jahren Pandemie am Anschlag. „Auch die Praxen sind irgendwann an ihrer Belastungsgrenze“, betonte Weigeldt.
Gespaltenes Meinungsbild auch in der Bevölkerung
Auch die Bundesbürger sind in der Frage der Impfpflicht gespalten, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts „Ipsos“ hervorgeht. 36 Prozent der Bundesbürger sprechen sich demnach für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 aus, etwa ebenso viele (38 Prozent) lehnen jegliche Form von Impfpflicht ab.
Die beiden ebenfalls diskutierten Anträge einer nach Alter gestaffelten Impfpflicht bekommen mit zusammengefasst 26 Prozent (je 13 Prozent) am wenigsten Rückhalt. Für die Studie wurden Anfang April 1000 Bundesbürger im Alter zwischen 16 und 75 Jahren befragt.
Während bei den Anhängern von SPD, Grünen und Union die allgemeine Impfpflicht ab 18 die beliebteste Option ist, sprechen sich die Wähler von FDP, Linken und AfD mehrheitlich gegen jede Art von Verpflichtung zur Immunisierung aus: 41 Prozent der FDP-Unterstützer sind gegen eine Impfpflicht und nur jeder Vierte (25 Prozent) für die allgemeine Impfpflicht ab 18.
Wie bei allen anderen Parteien sind auch hier die Stufenmodelle wenig populär. Eine Impfpflicht ab 50 heißen lediglich 19 Prozent gut, eine gestaffelte je nach Infektionslage 15 Prozent. (hom/juk)